Dürrenmatt als Zeichner und Maler – Ein bildnerisches Werk zwischen Mythos und Wissenschaft

Artikel, 23.12.2021

Der Schriftsteller Friedrich Dürrenmatt (1921–1990) hat ein umfangreiches bildnerisches Werk hinterlassen. Anlässlich seines 100. Geburtstages hat das Centre Dürrenmatt Neuchâtel (Schweiz) unserer Botschaft eine Ausstellung mit Reproduktionen von seinen Bildern und Zeichnungen zur Verfügung gestellt. Die Ausstellung zeigt eine repräsentative Auswahl der grafischen und zeichnerischen Arbeiten des Autors. 

Unser Konzept beruht auf der Ausstellung «Dürrenmatt als Zeichner und Maler – Ein Bildwerk zwischen Mythos und Wissenschaft», die von der Stiftung Schloss Spiez (Schweiz) in Zusammenarbeit mit dem Centre Dürrenmatt Neuchâtel erarbeitet und vom 4. Juli bis zum 25. Oktober 2020 im Schloss Spiez gezeigt wurde. Die Schweizerische Botschaft in Russland hat die Anpassung für russische Zuschauer vorbereitet. 2021 hat die Ausstellung in 3 russischen Regionen getourt:

 

1. Novosibirsk, Staatliche öffentliche wissenschaftlich-technische Bibliothek 

23.08. – 20.09.

Vom 23. August bis zum 20. September 2021 wurde die Ausstellung in der Hauptstadt Sibiriens, in Novosibirsk, gezeigt. Ausstellungsort war die Staatliche Wissenschaftliche und Technische Bibliothek der Sibirischen Abteilung der Russischen Akademie der Wissenschaften. Zur Eröffnung hielt der stellvertretende Missionschef Tobias Privitelli eine Rede zu Kultur und Nation in der Schweiz. Er sprach über den die kulturelle Vielfalt in der Schweiz, deren Geschichte und über das Schweizer Kulturverständnis. Gemäss Rückmeldung der Bibliothek, fand die Ausstellung viel positiven Anklang. Während der vierwöchigen Ausstellungsdauer habe man über 1200 Besucher/innen verzeichnet, insbesondere Deutschlehrkräfte, Studierende und Schüler/innen. Die Vortragsveranstaltung mit der Schweizerischen Botschaft führte ausserdem dazu, dass die Leser/innen nach der Möglichkeit regelmässiger Programme fragten, in denen die Kultur und Literatur anderer Länder vorgestellt wird.

 

2. Jekaterinburg, Jelzin Zentrum

29.09. – 24.10.

Im Foyer des Bildungszentrums im 3. Stock des Jelzin-Zentrums wurde die Dürrenmatt-Ausstellung vom 29. September bis zum 24. Oktober im Rahmen von den Schweizer Tagen in Jekaterinburg gezeigt.

Die Botschafterin der Schweiz in Russland Krystyna Marty Lang sagte bei der Eröffnungszeremonie, dass der Schriftsteller und der Künstler selbst sich freuen würden, an dem Tag im Jelzin-Zentrum anwesend zu sein: «Die Ideen des Jelzin-Zentrums sind eng mit dem verbunden, wofür Dürrenmatt berühmt wurde. Seine Werke entstanden während des Kalten Krieges, sind aber heute noch aktueller als früher. Warum? In seinen Romanen und Theaterstücken geht es oft um die Frage, ob man seinen eigenen Staat kritisieren darf. Und natürlich bejaht er diese Frage. Dürrenmatt war selbst ein konsequenter Kritiker der Schweizer Regierung, der keine Tabus und "heiligen Kühe" ausließ, aber auch in politischen Kreisen hoch angesehen war. Der Wert einer intelligenten Kritik ist eines der wichtigsten Merkmale der Arbeit eines Schriftstellers».

In seiner Antwortrede dankte Sergej Radtschenko, stellvertretender Kulturminister der Region Swerdlowsk, den Organisatoren der Ausstellung für die Möglichkeit, die Phantasie des Schriftstellers durch seine Zeichnungen und Lithographien zu erschliessen, und wies auf die Bedeutung von Dürrenmatts Vermächtnis für die europäische und russische Kultur hin. Regisseur Michail Kosakow hatte den «Besuch der alten Dame» bereits 1989 verfilmt, und die aktuelle Produktion war im Oktober im Akademischen Dramatheater Swerdlowsk zu sehen. 

 

3. St. Petersburg, Russische Nationale Bibliothek

15.11. – 30.11.

Die Ausstellung wurde anschliessend in der Russischen Nationalbibliothek im Rahmen des 8. Schweizer Filmfestivals in St. Petersburg gezeigt (Videotour). Die Russische Nationalbibliothek ergänzte sie mit einer Exposition von Büchern und Zeitschriften in russischer und deutscher Sprache. In der Bücherausstellung wurden Sammlungen von Werken und Monographien deutscher Literaturkritiker vorgestellt. Die Besucher der Ausstellung konnten auch Artikel und Rezensionen über Theaterstücke und Filme lesen, die von nationalen Theater- und Filmemachern produziert wurden.

Fazit: Die Ausstellung stiess beim russischen Publikum auf grosses Interesse und fand auch bei denjenigen Anklang, die Dürrenmatt nie gelesen haben. Das bildnerische Vermächtnis des Schriftstellers fand sein Publikum in der jüngeren Generation, die in ihrer Jugend weder zu Aufführungen seiner Werke gegangen ist, noch seine Stücke gelesen hat. In einigen Städten konnten der Besuch der Ausstellung und die Einführung in Dürrenmatts bedeutende Erzählungen erfolgreich mit neuen Theaterproduktionen kombiniert werden (Moskau, Jekaterinburg). Beide Bibliotheken (in Nowosibirsk und St. Petersburg) scheinen eine gute Wahl für diese Art von Ausstellung zu sein, obwohl sich auch das moderne und sehr trendige Jelzin-Zentrum in Jekaterinburg als grossartiger Ausstellungsort für grafische Werke erwiesen hat.