Die Jugend vertritt ihre Anliegen im Kampf gegen HIV und Aids selbst

Artikel, 27.11.2018

Jugendliche sind besonders gefährdet, sich mit HIV zu infizieren und an AIDS zu sterben. Um das zu ändern, engagieren sich junge Menschen weltweit: Sie fordern jugendfreundliche Gesundheitsdienstleistungen im Bereich HIV/Aids, unterstützen Gleichaltrige und kämpfen gegen Diskriminierung. Die DEZA unterstützte darum die Jugendbewegung
ACT!2030 während zweieinhalb Jahren. Damit konnten sich Jugendliche in weltweit 12 Pilotländern in Diskussionen, Politiken und Programmen zu HIV/Aids einbringen.

Eine Gruppe von jungen Menschen aus der ganzen Welt hält ein Plakat mit der Aufschrift «ACT!2030» und lacht in die Kamera.
Weil sie die Lösungen kennen: Die DEZA unterstützt die Jugendbewegung ACT!2030, wenn sie von Politikern und Politikerinnen jugendfreundliche Dienstleistungen im Kampf gegen HIV Aids fordert. © IPPF

Weltweit infizieren sich täglich rund 1600 junge Menschen mit HIV. Alle zehn Minuten stirbt ein junger Mensch an Aids. Studien zeigen, dass gewisse Bevölkerungsgruppen besonders stark gefährdet sind, sich mit HIV zu infizieren oder an Aids zu sterben. Dazu gehören Männer, die Sex mit Männern haben, Transgendermenschen, Drogenkonsumentinnen und -konsumenten, Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter sowie junge Frauen, die Gewalt und Unterdrückung ausgesetzt sind, und generell Jugendliche.

Teils verhindern Politiken und Gesetze Fortschritte oder verstärken negative Tendenzen, indem sie diesen Gruppen Zugang zu Informationen und Gesundheitsdienstleistungen erschweren. Teils werden betroffene Gruppen nicht einbezogen, wenn über Gesetze und Politiken entschieden wird, die direkt einen Einfluss auf ihr Leben haben. In vielen Ländern fehlt es an Gesundheitsdienstleistungen im Bereich sexuelle und reproduktive Gesundheit, die auf die spezifischen Bedürfnisse von Jugendlichen ausgerichtet sind. Auch herrscht weltweit noch immer eine stark ausgeprägte Diskriminierung gegenüber HIV-/Aids positiven Menschen. Diese und weitere Faktoren verhindern die Umsetzung von effizienten und personenzentrierten Lösungen. Die Jugendbewegung ACT!2030 setzte sich zum Ziel dies zu ändern und ermöglicht es Jugendlichen, bei wichtigen Entscheidungen in ihrem Land punkto HIV/Aids mitzudiskutieren.

Junge wollen Mitspracherecht

Alles begann mit der Erarbeitung der Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDG) im Jahr 2013. Damals hatten junge Menschen die einzigartige Gelegenheit, an der Bestandsaufnahme der Millenniumsentwicklungsziele (MDG) mitzuwirken und die neue Agenda 2030 mitzugestalten. PACT, ein globaler Verbund von über 80 Jugendorganisationen, organisierte mithilfe von UNAIDS ein Treffen nationaler Jugendverbände, um Prioritäten aus Sicht junger Menschen zu definieren. Diese Prioritäten wiederum brachten die Jugendlichen im Rahmen von nationalen Konsultationen zu den Zielen für die Nachhaltige Entwicklung in die Verhandlungen ein. Diese Jugendbewegung nannte sich damals ACT!2015.

«Doch die eigentliche Arbeit begann nach dem Abschluss der Verhandlungen, bei der Umsetzung der Agenda 2030 auf Länderebene», sagt Susanne Amsler, Programmbeauftragte der DEZA. In Anbetracht dessen, entschloss sich die Gruppe weiterzumachen und benannte sich in ACT!2030 um. Fortan legte die Initiative den Fokus auf eine sinnvolle Involvierung junger Menschen bei der Umsetzung und Überprüfung der SDGs auf Länderebene. Ziel ist es sicher zu stellen, dass die Bedürfnisse junger Menschen bei der Umsetzung der SDGs miteinbezogen werden.

ACT!2030 setzt sich für das Recht junger Menschen auf eine umfassende Sexualaufklärung und entsprechende Gesundheitsdienstleistungen ein. Die Bewegung konfrontiert die Regierungen mit Fakten zu den Lebensumständen junger Menschen, fordert politische Massnahmen und zieht die Behörden für ihre Versprechen zur Rechenschaft. 

Unterstützung im richtigen Moment

Regierungen zur Verantwortung zu ziehen, ist ein langwieriges und aufwändiges Vorhaben. Um die Dynamik und das Engagement der jungen Menschen aufrechtzuerhalten, brauchte es deshalb mehr Unterstützung bei der Datenbeschaffung, beim Monitoring und bei der Anwaltschaft. Die DEZA war sich dieser Herausforderungen bewusst und beschloss, die Jugendbewegung in diesem kritischen Moment nach der Verabschiedung der Agenda 2030 finanziell zu unterstützen. Denn die DEZA ist der Überzeugung, dass durch Einbezug junger Menschen an verschiedenen Momenten in internationalen und nationalen Entscheidungsprozessen Gesundheitsdienstleistungen für Jugendliche effektiv ihren Bedürfnissen entsprechend gestaltet werden können. Das wiederum hat einen positiven Effekt auf ihre Gesundheit. Darüber hinaus ist die aktive Teilnahme an Entscheidungsprozessen ein Recht, das auch Jugendlichen ermöglicht werden soll. Somit wird ein Dialog mit ihnen geführt, statt über sie bestimmt.

Junge Frau vor dunklem Hintergrund schaut selbstbewusst in die Kamera.
Hayley Gleeson, International Planned Parenthood Federation (IPPF). © IPPF

«Bei der Initiative ACT!2030 konnten die jungen Menschen ihre eigene Zukunft tatsächlich mitbestimmen. Die Schwerpunktthemen, die Forschungsarbeit, die Ausbildung der Jugendvertreterinnen und -vertreter sowie die gesamte Datenbeschaffung wurden von jungen Menschen geleitet. ACT!2030 war insofern einzigartig, als man jungen Menschen als Expertinnen und Experten für ihr eigenes Leben vertraute und alle Hebel in Bewegung setzte, damit Jugendorganisationen die benötigten Mittel bekamen, um ihre Gemeinschaften selbst zu gestalten.»

Die Jugendgruppe ACT!2030 entwickelte sich seit 2013 zu einer weltweiten Bewegung junger Menschen unter der anfänglichen Federführung von PACT, dem Verbund von Jugendorganisationen. UNAIDS und die International Planned Parenthood Federation (IPPF) stellen die Koordination sicher und unterstützen mit ihrer Expertise.

Die Gruppe begann in zwölf Ländern politische Hürden systematisch zu identifizieren, die jungen Menschen den Zugang zu sexueller und reproduktiver Gesundheit und Rechten versperren. Dazu erhob sie selber Daten und ergänzte jene ihrer Regierungen. Zudem produzierten ihre Mitglieder Policy Briefs, erliessen Medienmitteilungen, betrieben Forschung und machten sogar Dokumentarfilme um mit den Regierungsbehörden und anderen Interessensgruppen in ihrem Land in Dialog treten zu können – immer mit dem Ziel politische Veränderungen zu erwirken und die Regierungen für ihre Versprechen und Verpflichtungen im Zusammenhang mit der Agenda 2030 und anderer Dokumente wie der politischen Erklärung zu HIV und Aids von 2016 zur Rechenschaft zu ziehen.

So konnten in zwölf Pilotländern konkrete Massnahmen durchgeführt werden: in Mexiko, Jamaika, Algerien, Bulgarien, Nigeria, Uganda, Sambia, Simbabwe, Südafrika, Kenia, Indien, und in den Philippinen.

Daten und Fakten als Grundlage um jugendfreundliche Dienstleistungen zu verbessern

Alvin Mwangi Irungu, ein Jugendvertreter aus Kenia fasst die Arbeit von ACT!2030 folgendermassen zusammen. «ACT!2030 erlaubt es Jugendlichen und jungen Erwachsenen, sich bei Rechenschaftsmechanismen in Bezug auf jugendfreundliche Gesundheitsdienstleistungen zu engagieren, und ermöglicht ihnen den Zugang zu nationalen und internationalen Plattformen für die Anwaltschaft im Bereich sexuelle und reproduktive Gesundheit und Rechte.»

In Algerien zum Beispiel erhob die nationale ACT!2030-Bewegung Daten über den Zugang der wichtigsten Bevölkerungsgruppen zu Gesundheitsdienstleistungen. Dies führte zu einer Partnerschaft zwischen den Jugendlichen aus ACT!2030 und der nationalen Kommission zur Beendigung von sexuell übertragbaren Infektionen einschliesslich HIV/Aids. Ziel dieser Partnerschaft ist es, die Umsetzung des nationalen Strategieplans zu diesen Infektionen regelmässig zu überprüfen und Verbesserungsmassnahmen zu fordern, falls Resultate nicht erreicht werden.

In den Philippinen wurde ACT!2030 eingeladen, in der technischen Arbeitsgruppe des nationalen Gesundheits- und Entwicklungsprogramms für Jugendliche und junge Erwachsene mitzuarbeiten. Die ACT!2030 Bewegung organisierte ausserdem zusammen mit dem philippinischen Aids-Rat und der Kommission für Kinder und HIV/Aids eine nationale Konsultation von jungen Bevölkerungsgruppen, um sicherzustellen, dass im Hinblick auf die Mittelfristplanung zu Aids auch die Anliegen junger Menschen berücksichtigt wurden.

Auch wurden die von ACT!2030 gesammelten Daten im Rahmen von freiwilligen Länderberichten zuhanden des Hochrangigen politischen Forums (HLPF) in New York an der UNO verwendet. Einige Länderberichte verweisen explizit auf die ACT!2030-Daten. In Simbabwe und Mexiko waren Jugendliche gar Teil der offiziellen Delegation, welche das Land am HLPF repräsentierte. Das ist eine massgebende Veränderung, die den Jungen erlaubt aktiv und effektiv bei der Beendigung der Aids-Epidemie mitzuwirken. Denn erst durch das Einbringen ihre spezifischen Bedürfnisse in politischen Foren wie dem HLPF können auf sie zugeschnittene Lösungen entwickelt werden mit dem finalen Ziel die hohe Zahl an Neuinfektionen zu minimieren.

Junge, offiziell gekleidete Frau spricht in ein Mikrofon.
Ashley Ngwenya, Simbabwe. © Ashley Ngwenya, ACT!2030 Zimbabwe

«Das Hochrangige politische Forum (HLPF) 2017 in New York war eine revolutionäre Plattform für Simbabwes junge Menschen. Wir wurden nicht nur unseretwegen angehört, sondern wegen der wichtigen Geste der simbabwischen Regierung, mich und einen anderen jungen Mann, Ignatuous Chiveso, als Vertretung der jungen Menschen in der nationalen Delegation aufzunehmen. Wir wurden nicht in die Delegation aufgenommen um lediglich ein Punkt auf einer Liste abzuhaken, sondern unsere Teilnahme stellte eine wirkliche Veränderung dar. Uns wurde die Möglichkeit gegeben, die Stimme der Jugend direkt in die Präsentation des Länderberichts einfliessen zu lassen. Das war für uns ein siegreicher Schritt in Richtung mehr Beteiligung. Möglich wurde dies durch ACT!2030, und die Menschen, die unsere Stimme aktiviert haben! Ich bin ihnen für immer dankbar, dass ich die Möglichkeit hatte, Jugendliche aus Simbabwe in einem solchen Forum vertreten zu dürfen!»

Act!2030 setzt erfolgreich neue Standards

UNAIDS ist weltweit für die Überwachung der HIV/Aids Epidemie verantwortlich. ACT!2030 veranlasste UNAIDS, seine Indikatoren zur Überwachung zu überarbeiten und mehr Informationen zu Jugendlichen zu erheben. So wurden 2017 zum ersten Mal neue Indikatoren bezüglich Mindestalter für den Zugang zu Dienstleistungen ohne Zustimmung der Eltern, umfassende Sexualaufklärung und Jugendbeteiligung eingeführt. Das sind wichtige Massnahmen für eine effiziente Bekämpfung von HIV/Aids. Zu diesen Indikatoren müssen alle Mitgliedstaaten der UNO Bericht erstatten. Die Ergebnisse der ersten Erhebung wurden im Juli 2018 publiziert.

Jugend und HIV: Drei Aspekte, die Jugendbeteiligung zum zentralen Bestandteil zu machen (en)

der Jugendliche Alvin Mwangi Irungu zwinkert lachend in die Kamera.
Alvin Mwangi Irungu, Jugendanwalt, Kenia. © IPPF

«In Kenia produzierte mein Team und ich drei Dokumentarfilme und einen Policy Brief über jugendfreundliche Dienstleistungen im Bereich HIV/Aids. Diese nutzten wir um Gesundheitsanbieter zu sensibilisieren und um die Aufmerksamkeit von Entscheidungsträgerinnen zu erlangen, so dass mehr in die sexuellen und reproduktiven Gesundheitsrechte von jungen Menschen investiert wird.»

Auch dank ACT!2030 werden die Anliegen junger Menschen heute von Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträgern vermehrt berücksichtigt. Früher wurden sie aufgrund mangelnden Verständnisses oder fehlender Nachweise der spezifischen Bedürfnisse im Bereich sexuelle und reproduktive Gesundheit und Rechte oft vernachlässigt.

Die DEZA konnte mit der zweieinhalbjährigen Unterstützung von ACT!2030 einerseits einen Beitrag zu einer personenzentrierten Gesundheitsversorgung leisten. Und andererseits das Recht auf Partizipation und die Wichtigkeit unterstreichen, die Zivilgesellschaft in Entscheidungsprozesse einzubeziehen. Die Unterstützung junger Menschen bei der wichtigen Aufgabe, ihre Regierungen zur Rechenschaft zu ziehen, ermöglicht ausserdem bedeutende Fortschritte bei der Bekämpfung von HIV und bei der Umsetzung der nachhaltigen Entwicklungsziele. Die DEZA unterstützte ACT!2030 während einer wichtigen Phase nach der Verabschiedung der Agenda 2030. Die Jugendbewegung führt ihre Arbeit nun weiter. Sie tauscht sich international über Erfahrungen und guten Praktiken in ihren Ländern aus, damit Jugendliche im nationalen Politikdialog in Zukunft vermehrt eine Stimme finden. Und damit Jugendliche das Recht auf sexuelle und reproduktive Gesundheit wahrnehmen um sich schlussendlich auch besser vor HIV schützen können.

Jona Claire Turalde spricht in ein Mikrofon hinter einem offiziellen Namensschild.
Jona Claire Turalde, Jugendvertreterin, Philippinen. © Jona Claire Turalde

«Die Initiative ACT!2030 stärkt nicht nur die Anwaltschaft bezüglich HIV und Aids, sondern beschäftigt sich auch mit wichtigen Aspekten im Zusammenhang mit sexueller und reproduktiver Gesundheit und den damit einhergehenden Rechten, beispielsweise im Zuge der Datenerhebung über die Situation Jugendlicher. Dank der Initiative durfte ich die Jugend der Philippinen in verschiedenen internationalen Gremien vertreten. Dies ermöglichte es mir, mein Engagement zu intensivieren und mit anderen Jugendvertreterinnen und -vertretern zusammenzuarbeiten. Als Mentorin kann ich heute meine Erfahrungen an andere junge Menschen weitergeben.»