Dank Berufsbildung verschafft die DEZA Jugendlichen eine Perspektive

Artikel, 04.06.2018

Vom 6.-8. Juni treffen sich in Winterthur über 500 Gäste aus Wirtschaft, Politik und Bildung zum dritten Internationalen Berufsbildungskongress unter dem Motto «Skills for Employability and Careers». Auch die DEZA beteiligt sich daran. Im Interview erklärt Expertin Brigitte Colarte-Dürr, wie wichtig Berufsbildung für eine erfolgreiche Entwicklungszusammenarbeit ist.

Eine Gruppe junger Laotinnen mit Schürzen und Kochmützen schöpft mit Kellen Essen aus zwei Kochkesseln.
Mittels praxisorientierter Berufsbildung im Gastgewerbe verbessert die DEZA die Aussichten junger Laotinnen auf eine Anstellung © DEZA

Frau Colarte-Dürr, was erwarten Sie vom bevorstehenden Internationalen Berufsbildungskongress in Winterthur?

Viele der rund 500 Teilnehmenden kommen aus Partnerländern der DEZA – darunter Vertreterinnen und Vertreter von Ministerien, Partnerorganisationen und DEZA-Projekten. Wir hoffen, dass sie sich am Schweizer System der dualen Berufsbildung inspirieren werden, um ihre eigenen Systeme verbessern zu können. Dabei spielt auch der Austausch unter den internationalen Fachleuten eine grosse Rolle. Erfahrungsgemäss bieten solche Kongresse Gelegenheit zu schauen, mit welchen Problemen andere Länder kämpfen und welche Lösungen es gibt. Daraus entstehen oft konkrete Verbesserungen. So wurde beispielsweise der serbische Präsident Aleksandar Vucic durch seine Teilnahme an einem früheren Kongress zum Verfechter der dualen Berufsbildung. In der Folge lancierte er mit Schweizer Unterstützung eine Reform des Berufsbildungssystems in Serbien. So können junge Serbinnen und Serben heute Lehrlingsausbildungen besuchen und finden dank praktischer Kenntnisse leichter eine Stelle. 

Brigitte Colarte-Dürr, Expertin für Berufsbildung bei der DEZA.
Brigitte Colarte-Dürr, Expertin für Berufsbildung bei der DEZA. © DEZA

Die DEZA engagiert sich in über 80% ihrer Partnerländer für eine bessere Berufsbildung. Weshalb ist das Thema für die Armutsbekämpfung so wichtig?

Ganz einfach: ohne Grund- und Berufsbildung gibt es keine Entwicklung. Eine gute Ausbildung der Arbeitskräfte ist zentral für die Steigerung der Produktivität eines Unternehmens oder eines Sektors. Zudem trägt sie direkt zur Armutsreduktion bei: Dank Berufsbildung erhalten viele Menschen überhaupt erst die Möglichkeit, eine Stelle zu finden oder sich selbständig zu machen und damit ihr Einkommen zu verbessern. So verhilft die DEZA beispielsweise in Bangladesch Tausenden von Frauen und Männern in der Textil- und der Baubranche mittels Kursen zu besseren Chancen dem Stellenmarkt. Ein weiterer Aspekt ist das so genannte Empowerment: Berufsbildung macht die Menschen sicherer und stärker, lässt sie selbständiger werden und verschafft ihnen eine Zukunftsperspektive. Das ist gerade für Frauen sehr wichtig, die oft keinen Zugang zu Arbeitsstellen und somit auch keine Möglichkeit haben, ihr eigenes Geld zu verdienen.

Was bewirkt das Engagement der DEZA?

Viele unserer Projekte fokussieren auf die unteren Ausbildungsniveaus. Diese Projekte wirken vor allem dann gut, wenn wir Synergien zwischen der Berufsbildung und der Schaffung neuer Jobs nutzen können. Der Wirkungsbericht zu Beschäftigung, den die DEZA und das Staatssekretariat für Wirtschaft SECO letztes Jahr publiziert haben, stellt der Berufsbildung in diesem Bereich ein gutes Zeugnis aus. Besonders positiv bewertet wurden die Wirkungen von Berufsbildungsprogrammen auf die Armutsreduktion und die Resultate für speziell verletzliche Bevölkerungsgruppen. Zwischen 2013 und 2016 konnten dank DEZA-Projekten in neun Ländern des Südens beinahe acht Millionen Personen ausgebildet werden – mehr als die gesamte Schweizer Bevölkerung. Alleine in Bolivien konnten in einem Jahr über 29'000 Personen aus armen Verhältnissen eine Ausbildung absolvieren. Heute verdient, mehr als die Hälfte von ihnen mehr als den Minimallohn von 240 USD. 

Wie funktionieren diese Projekte konkret? 

Sie sind sehr vielfältig, je nach dem Kontext und den Zielen, die wir erreichen möchten. Das Spektrum reicht von mehrwöchigen Kursen z.B. im Schneidern oder Computerflicken im Flüchtlingslager Kakuma in Kenia bis zu mehrjährigen Lehrlingsausbildungen etwa im Holzsektor in Serbien. Die DEZA setzt nicht nur in ihren klassischen Partnerländern in Afrika, Asien und Lateinamerika Berufsbildungsprojekte um, sondern auch in den Staaten der früheren Sowjetunion, im Balkan, in den neuen EU-Mitgliedsländern und in Krisengebieten, in denen die Schweiz humanitäre Hilfe leistet. 

Die DEZA ist bekannt für ihr langfristiges Engagement. Können Sie dies an einem Beispiel illustrieren? 

Ein gutes Beispiel ist Nepal. Dort haben wir 2007 einen Fonds lanciert, aus dem private Bildungsanbieter finanziert werden. Diese erhalten den vollen Beitrag erst, wenn die Absolventinnen und Absolventen die Kurzausbildung abgeschlossen und einen Job gefunden haben. So können wir kontrollieren, dass sie wirklich im Arbeitsmarkt Fuss fassen. Nach dem Erdbeben von 2015 haben wir das Projekt angepasst und Ausbildungen für den Wiederaufbau angeboten – etwa Kurse für erdbebensicheres Bauen. Inzwischen hat die Regierung mit anderen Geldgebern den Fonds übernommen, während wir einen Schritt weitergegangen sind und neu Lehrlingsausbildungen anbieten. Das Beispiel zeigt, wie sich das DEZA-Engagement in einem Land im Lauf der Zeit verändern kann.