«Die Weltgemeinschaft muss die Wirkung ihres Engagements erhöhen»

Artikel, 09.07.2019

Mitte Juli 2019 übernimmt DEZA-Vizedirektor Thomas Gass für zwei Jahre den Ko-Vorsitz der Globalen Partnerschaft für eine wirksame Entwicklungszusammenarbeit (GPEDC). Im Interview erklärt er, wie er sich an der Spitze dieser breit abgestützten Plattform dafür einsetzen will, dass die ehrgeizigen Ziele der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung möglichst rasch Realität werden.

Eine Familie bei der Gemüseernte auf einem Feld.
Die DEZA setzt sich dafür ein, dass Entwicklungszusammenarbeit Früchte trägt. © DEZA

Was ist und was tut die GPEDC?

Die Weltgemeinschaft hat sich mit der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung ambitionierte Ziele gesetzt. Diese können nur erreicht werden, wenn alle Akteure effizient zusammenarbeiten und maximale Wirksamkeit erzielen. Dazu braucht es starke Partnerschaften, die auf gemeinsamen Prinzipien fussen. In der GPEDC finden sich die wichtigsten Akteure zusammen und führen den Dialog über die Wirksamkeit. Ein zentraler Grundsatz dabei ist, dass die Länder hauptverantwortlich sind für ihre Entwicklung und entsprechende Prioritäten selbst festlegen. Entwicklungsagenturen sollen sich an diesen orientieren und messbare Beiträge leisten. Ein weiteres Kernprinzip ist der Einbezug der Zivilgesellschaft und des Privatsektors: Die Länder stehen in der Pflicht, günstige Rahmenbedingungen zu schaffen, damit diese ihre Anliegen und Expertise einbringen können. Die GPEDC überprüft regelmässig, ob sich alle Seiten an die Grundsätze wirksamer Entwicklungszusammenarbeit halten und gibt Empfehlungen ab.

Könnte diese Rolle nicht auch die UNO übernehmen?

Die UNO ist eine auf Staaten ausgerichtete Organisation. Für die Entwicklung sind jedoch auch die Beiträge nichtstaatlicher Akteure von grosser Bedeutung. Dafür braucht es eine Plattform, die diese einbindet und lösungsorientiert über ihre Rollen und Potentiale diskutiert. Die Erkenntnisse fliesen sodann in die UNO-Prozesse ein, etwa bei den Länderprüfungen der Nachhaltigkeitsziele sowie in die Anstrengungen rund um die Finanzierung der Agenda 2030. Nebst den Ländern aus allen Weltregionen vereint die GPEDC die Zivilgesellschaft, Stiftungen, den Privatsektor, multilaterale und bilaterale Organisationen, Forschungsinstitute, regionale Foren und lokale Regierungen. Die Weltgemeinschaft muss alle Kräfte bündeln und die Wirkung ihres Engagements erhöhen, um schneller Fortschritte zu erzielen. Dazu gehört auch, mit innovativen Ansätzen zusätzliche Ressourcen für die Entwicklungszusammenarbeit zu mobilisieren.

Porträtaufnahme von DEZA-Vizedirektor Thomas Gass.
DEZA-Vizedirektor Thomas Gass. © DEZA

Sie werden in den nächsten zwei Jahren zusammen mit zwei weiteren Personen den Ko-Vorsitz der GPEDC innehaben. Was bedeutet dieses Amt für die Schweiz – und was hat die Schweiz davon?

Die DEZA trägt gegenüber der Schweizer Bevölkerung und dem Parlament die Verantwortung, die gesprochenen Mittel effektiv und transparent einzusetzen. Dasselbe Prinzip wollen wir durch die GPEDC auch auf internationaler Ebene stärken: Alle Entwicklungsakteure sollen Rechenschaft ablegen über ihre Resultate hinsichtlich der Agenda 2030. Auch können wir die Schweizer Kultur des Konsenses und Dialogs in die internationale Zusammenarbeit einfliessen lassen. Wir sind es uns gewohnt, unterschiedliche Partner zusammenzubringen, um gemeinsam wichtige gesellschaftliche Aufgaben zu meistern. Zudem geniesst die Schweizer Entwicklungszusammenarbeit international einen sehr guten Ruf. Wir engagieren uns vor Ort und verfügen über eine breite praktische Erfahrung. Das Engagement von Schweizer Fachleuten in Foren wie der GPEDC bildet die Basis für künftige Kooperationen. Schliesslich arbeitet die GPEDC an Themen, die auch für die Schweiz Prioritäten darstellen – etwa die Einbindung des Privatsektors oder die Förderung der Rechtstaatlichkeit.

Welche Ziele verfolgen Sie als Ko-Vorsitzender der GPEDC?

In erster Linie soll die Arbeit der GPEDC die Weltgemeinschaft bei der Umsetzung der Agenda 2030 unterstützen. Es verbleiben nur noch elf Jahre, um die nachhaltigen Entwicklungsziele zu erreichen. Darum müssen wir die Ressourcen ganz gezielt einsetzen. Wir alle müssen uns für die ärmsten und verletzlichsten Menschen stark machen, denn absolute Armut können wir nur beseitigen, wenn diese nicht im Stich gelassen werden.  Allerdings fehlen in vielen Ländern statistische Daten zu diesen Bevölkerungsschichten: sie sind «unsichtbar» und werden daher von Entwicklungsplänen nicht genügend berücksichtigt. Als Ko-Vorsitzender der GPEDC werde ich mich für eine bessere Datenlage engagieren – auch mithilfe neuer Technologien. Weiter ist es wichtig, den Dialog mit China, Indien und anderen neuen Gebern zu stärken und sich über ihre Erfahrungen auszutauschen. Es gilt, in möglichst vielen Bereichen eine konstruktive Zusammenarbeit zu fördern, damit die Ziele der Agenda 2030 möglichst rasch Realität werden.

GPEDC: 161 Länder, 56 internationale Organisationen und viele weitere Akteure

Die Globale Partnerschaft für eine wirksame Entwicklungszusammenarbeit (Global Partnership for Effective Development Co-operation, GPEDC) hilft Ländern, Unternehmen und Organisationen, die Wirksamkeit der Entwicklungsbemühungen zu steigern, zu langfristigen Ergebnissen beizutragen und die Verwirklichung der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung zu unterstützen. Gegründet wurde die GPEDC 2011 anlässlich des Vierten Hochrangigen Forums über die Wirksamkeit der Entwicklungszusammenarbeit in Busan (Korea). In der GPEDC vertreten sind 161 Länder, 56 internationale Organisationen, Organisationen der Zivilgesellschaft, Parlamente, lokale Regierungen, die Wirtschaft, die Philanthropie, Gewerkschaften und anderer Akteure.

Als Forum für Beratung, gemeinsame Rechenschaftspflicht sowie gemeinsames Lernen und Erfahrungen fördert die Globale Partnerschaft vier international vereinbarten Prinzipien, die die Grundlage für eine wirksame Entwicklungszusammenarbeit bilden:

  • Verantwortung für die Entwicklungsprioritäten bei den Entwicklungsländern selbst
  • Ergebnisorientierung
  • Inklusive Entwicklungspartnerschaften
  • Transparenz und gegenseitige Rechenschaftspflicht