Libanon: Bildung und Gesundheitsversorgung in einem Stadtteil, in dem Libanesen, Syrer und Palästinenser zusammenleben

Projekt abgeschlossen
Klassenzimmer mit einer Lehrerin, die vor einer Gruppe von Schülerinnen und Schülern sitzt und ein Buch zeigt.
Tahaddi stellt in einem benachteiligten Stadtteil von Beirut die Grundversorgung für Kinder sicher, namentlich im Bildungsbereich. © Tahaddi © Tahaddi

Die Menschen im Stadtteil Hay Al-Gharbeh im Süden Beiruts leben unter sehr prekären Umständen. Seit 2012 leben dort auch syrische Flüchtlinge. Die DEZA unterstützt die libanesische NGO Tahaddi, die mit ihrem Leistungsangebot die Lebensbedingungen der Bevölkerung dieses Vororts erheblich verbessert. Das Tahaddi-Bildungszentrum beispielsweise ermöglicht es zahlreichen Kindern, die Schule (wieder) zu besuchen und dem Elend zu entfliehen. 

Land/Region Thema Periode Budget
Libanon
Bildung
Gesundheit
Grundbildung
Primäre Gesundheitsversorgung
Medizinische Dienstleistungen
01.08.2016 - 31.12.2021
CHF  1’270’000

Hay Al-Gharbeh liegt ein paar Kilometer vom lebhaften Zentrum Beiruts entfernt. Hier türmen sich notdürftige Häuser eng nebeneinander auf. Die Menschen laufen durch verstaubte Gassen, über denen ein Wirrwarr von Stromkabeln hängt. In diesem Elendsquartier und in den umliegenden Vierteln wie dem Palästinenserlager Schatila leben Libanesen, syrische Vertriebene, palästinensische Flüchtlinge und auch Wanderarbeiter zusammen.

Blick auf das Schulgebäude von Hay Al-Gharbeh. Auf den Dächern der Häuser sieht man Wassertanks und Autoreifen.
Tahaddi ist im Elendsquartier Hay Al-Gharbeh im Süden von Beirut aktiv. © Tahaddi

Hier hat sich Tahaddi niedergelassen. Seit 2008 unterstützt diese libanesische NGO Tausende Familien, die mit zahlreichen Problemen zu kämpfen haben: prekäre Lebensbedingungen, Ausschluss aus dem Schulsystem, Traumata, fehlende Gesundheitsversorgung usw. Seit 2011 suchen viele Syrer und Syrerinnen Zuflucht im Libanon. Dadurch ist auch in Hay Al-Gharbeh die Zahl der gefährdeten Menschen weiter gestiegen.

«Am Anfang kümmerten wir uns um verletzte Kinder, deren Mütter es sich nicht leisten konnten, eine Krankenstation aufzusuchen», erklärt Catherine Mourtada, Mitgründerin der NGO. «Wir haben aber bald festgestellt, dass die Bedürfnisse sehr viel grösser sind. Deshalb beschlossen wir, eine Pflegeeinrichtung und ein Bildungszentrum aufzubauen.»

Ein Hort des Friedens inmitten von Bruchbuden

2010 wurde ein richtiges Bildungszentrum eröffnet. Heute besuchen über 350 Schülerinnen und Schüler verschiedene Programme des Tahaddi-Zentrums: Vier Vorschulklassen, elf Primarklassen und rund hundert Kinder im Nachhilfeunterricht. Die Kinder, die nie eine Schule besucht oder sie abgebrochen haben, können hier einen Unterricht besuchen, der den Vorgaben des nationalen Bildungswesens entspricht. Der Lehrplan ist zudem ihrem sozial schwierigen Kontext angepasst. Unterrichtet werden Arabisch, Englisch, Mathematik, Naturwissenschaft, Geschichte, Geografie und Informatik. Auch Musizieren, bildende Kunst, Theater und Sport gehören zu den unterrichteten Fächern. Das inklusive Bildungszentrum betreut ausserdem sieben Kinder mit besonderen Bedürfnissen.

Das Zentrum soll im Leben der Kinder für eine gewisse Normalität sorgen. Das Dach der Schule dient als Pausenhof und ist die einzige Spielzone im ganzen Viertel.

Seit 2012 nimmt das Tahaddi-Bildungszentrum auch syrische Flüchtlingskinder auf. Einige von ihnen sind von dem, was sie in Syrien erlebt haben, so traumatisiert, dass sie nicht mehr richtig sprechen können. Sobald ein Helikopter über ihren Köpfen auftaucht, haben sie Angst. Wie andere verletzliche Kinder werden sie von Logopäden, Psychologen und Psychomotorikerinnen betreut.

In einem Nähatelier arbeitet ein Dutzend Frauen. Einige von ihnen haben Kinder, die im Zentrum zur Schule gehen. Die von den Näherinnen hergestellten Artikel werden verkauft, den Erlös teilen die Frauen untereinander auf. Solche Massnahmen gehören zu einem umfassenderen Programm von Tahaddi, das die sozialen und bildungsrelevanten Bedürfnisse dieser Familien abdeckt. Dazu gehören auch die Alphabetisierung und die Berufsbildung für Erwachsene.

Gesundheitsversorgung in unmittelbarer Nähe

Die Tahaddi-Pflegeeinrichtung ist ein weiterer Mittelpunkt des Quartiers. Die 2008 gegründete Einrichtung führt monatlich über 600 kostenlose Konsultationen durch. Die Medikamente und Laboruntersuchungen sind subventioniert oder werden zum Selbstkostenpreis verrechnet. Bei den meisten Behandlungen geht es um Verletzungen, die bei schwierigen Arbeiten entstehen. Viele Erwachsene des Viertels sind in Bereichen tätig, in denen die Arbeitsbedingungen problematisch sind. Verbrennungen, Verletzungen durch Stromschläge, Rattenbisse und Atemwegserkrankungen kommen ebenfalls sehr häufig vor. Auch Magen-Darm-Entzündungen bei Kindern sind sehr verbreitet. Viren verbreiten sich meist sehr rasch, zumal kaum ein Haushalt über einen Kühlschrank oder fliessendes Wasser verfügt.

Für Dr. Dany Daham sind die eigentlichen Herausforderungen die mangelnde Hygiene im Quartier und der ständige Stress, dem die Bewohnerinnen und Bewohner ausgesetzt sind. Der Beiruter fährt seit 2008 jeden Tag nach Hay Al-Gharbeh, um seinem Beruf als Arzt nachzugehen. «Bei einer schweren Lungenerkrankung empfehle ich dem Patienten, mit dem Rauchen aufzuhören. Doch wie kann man sich in einem derart stressigen Lebensumfeld von dieser Sucht befreien? Ich habe früher auch geraucht und weiss, wie schwierig es war, selbst in meiner privilegierten Situation auf die Zigarette zu verzichten.»     

Für die syrischen Flüchtlinge ist die Pflegeeinrichtung ein Glücksfall. Sie brauchen keine offiziellen Papiere, um das Dienstleistungsangebot zu nutzen. Seit 2015 registriert der Libanon syrische Flüchtlinge bei der Einreise nicht mehr. De facto sind sie illegal im Land, weshalb für sie der Zugang zu öffentlichen Dienstleistungen wie der Gesundheitsversorgung kompliziert ist.

Der Beitrag der DEZA an Tahaddi steht im Einklang mit der Absicht der Schweiz, besonders gefährdete Menschen im Libanon zu schützen, unabhängig ihrer Herkunft, ihrer Rasse oder ihrer politischen Überzeugung. In einem Land, das 1,5 Millionen syrische Vertriebene und rund 174 000 palästinensische Flüchtlinge aufgenommen hat, ist diese Unterstützung enorm wichtig.

Die Unterstützung der DEZA an Tahaddi wird von einem Beitrag des Fürstentums Liechtenstein ergänzt. Diese gemeinsame Finanzierung ist Teil einer humanitären Partnerschaft der beiden Länder.

Nadia neben eine Schüler
© Tahaddi

Die Arbeit von Tahaddi beruht auf dem Engagement seiner Mitarbeitenden. Einige von ihnen stammen aus Hay Al-Gharbeh, wie zum Beispiel Nadia* (18 Jahre). Sie besuchte die Schule im Tahaddi-Bildungszentrum und wurde anschliessend als Assistentin der Vorschulleiterin angestellt. Sie erzählt ihren Werdegang.  

EDA Blog 

* Name zur Wahrung der Anonymität geändert.