Frankophonie – von gemeinsamer Kultur zu politischen Überzeugungen

Bundesrat Ignazio Cassis nahm an der 37. Ministerkonferenz der Frankophonie teil. Die Schweiz ist seit 1996 Mitglied der Organisation der Frankophonie (OIF), deren Aufgabe es ist, die französische Sprache sowie die kulturelle und sprachliche Vielfalt zu fördern, den Frieden, die Demokratie und die Menschenrechte zu stärken, die Bildung und Forschung zu unterstützen und die Zusammenarbeit zu festigen.

Ignazio Cassis und die Generalsekretärin der Frankophonie, Louise Mushikiwabo, im Gespräch. Im Hintergrund die Flaggen der 54 Mitgliedsstaaten und Regierungen.

Bundesrat Ignazio Cassis tauscht sich 2019 in Monaco mit Louise Mushikiwabo, Generalsekretärin der Frankophonie, aus. © Keystone

Die Vorgängerorganisation der OIF wurde 1970 in der nigrischen Hauptstadt Niamey gegründet. Die Gründerväter Léopold Sédar Senghor, Präsident von Senegal, Hamani Diori, Präsident von Niger, Habib Bourguiba, Präsident von Tunesien und Norodom Sihanouk, König von Kambodscha, beriefen sich vor dem Hintergrund des gescheiterten Kolonialismus auf ihre stärkste Verbündete, die französische Sprache, um den Dialog zwischen den Völkern zu fördern. «In den Ruinen des Kolonialismus stiessen wir auf dieses wunderbare Instrument: die französische Sprache», sagte Präsident Senghor damals. Auf diesem Fundament errichteten die Staatschefs die Solidarität, die eine Annäherung zwischen den Völkern ermöglichen sollte.

Es entstand ein Forum, in dessen Rahmen der Dialog, der kulturelle Austausch und die Stärkung einer gemeinsamen Identität bis heute gedeihen. Die OIF umfasst Länder in Afrika, Asien, Europa, Amerika und dem Pazifikraum und vertritt über 300 Millionen französischsprechende Menschen aus allen Kontinenten. Die Schweiz ist seit 1996 Mitglied der OIF. Im Einklang mit den Werten unseres Landes bietet die Organisation ein einzigartiges Forum, um den Dialog zu pflegen und die Rechtsstaatlichkeit zu fördern.

Die politische Dimension der Frankophonie

Die Frankophonie entstand am 20. März 1970 mit der Unterzeichnung des ersten Übereinkommens, das zur Gründung der Agentur für kulturelle und technische Zusammenarbeit (Agence de coopération culturelle et technique, ACCT) führte. Wie ihr Name bereits besagt, setzt sich die ACCT für die internationale Kooperation der Völker in den Bereichen Kultur und Technik ein. Aus der ACCT ging 2005 die Internationale Organisation der Frankophonie (Organisation Internationale de la Francophonie, OIF) hervor, die mittlerweile eine politischere Agenda vertritt.

Unter Boutros Boutros-Ghali, dem ersten Generalsekretär der Frankophonie von 1997 bis 2002, wandelte sich die Organisation erstmals zu einer politischen Institution, die den Gedanken der Solidarität mit den Themen Frieden, Menschenrechte und Demokratie verknüpfte. Mit der Verabschiedung der Erklärung von Bamako, deren 20-jähriges Bestehen im November 2020 gefeiert wird, gab sich die Frankophonie ein Instrument, mit dem die Einhaltung gemeinsamer Grundwerte angeregt und eingefordert wird. Über die OIF und ihre 54 Vollmitgliedstaaten erarbeitet, konsolidiert und realisiert die Frankophonie ihre Positionen zur internationalen Politik. Zu den Aufgaben der Organisation gehören die Umsetzung der multilateralen Zusammenarbeit der frankophonen Länder in Abstimmung mit der Parlamentarischen Versammlung der Frankophonie (APF) und vier weiteren Gremien: der Universitären Agentur der Frankophonie (AUF), dem Fernsehsender TV5 Monde, der Universität Senghor in Alexandria und der Internationalen Vereinigung der französischsprachigen Bürgermeisterinnen und Bürgermeister (in der auch die Städte Genf, Lausanne, Montreux, Vernier und Nyon vertreten sind).

Durch ihre enge Zusammenarbeit mit anderen internationalen Organisationen wie der UNO oder der Afrikanischen Union geniesst die OIF heute weltweit grosses Ansehen. 2020 feiert sie ihr 50-jähriges Bestehen – eine gute Gelegenheit für alle ihre Mitglieder, darunter auch die Schweiz, neue Perspektiven für die Zukunft zu entwickeln.

Gemeinsame Werte

Die OIF spielt eine anerkannte Rolle als Vermittlerin im Austausch zwischen den Staaten. Sie begleitet namentlich die Wahlprozesse mehrerer Mitgliedsländer und unterstützt Staaten auf Ersuchen bei der Krisenbewältigung. Im Übrigen greift sie niemals strafend ein. Sollte sich ein Mitgliedsland oder eine Mitgliedsregierung nicht an die gemeinsamen Grundsätze der Organisation halten, kann eine Suspendierung verhängt werden, Sanktionen aber gibt es keine.

Die Schweiz ist zusammen mit der Föderation Wallonie-Brüssel nach Frankreich und Kanada die drittgrösste Geldgeberin der OIF. Ihr Engagement für die Organisation beschränkt sich allerdings nicht auf einen rein finanziellen Beitrag. Die Ziele der Schweiz und der OIF decken sich in vielen Belangen, weshalb die Schweiz auch politische Unterstützung leistet. So begrüsst sie die Entscheide der OIF, welche die Staaten und Regierungen bei der Prävention des gewalttätigen Extremismus, der Förderung von Frieden und Sicherheit oder der Abschaffung der Todesstrafe unterstützen.

Im Gegensatz zu anderen Organisationen ist die OIF nicht in regionale Gruppierungen unterteilt, weshalb sie von Grabenkämpfen verschont bleibt und vielmehr für ein Klima der Solidarität und des Einstehens für gemeinsame Interessen sorgt. Darüber hinaus erleichtert die gemeinsame Sprache den Dialog, so dass auch heikle Themen vorgebracht werden können. Und genau das ist eine der grössten Stärken der Frankophonie. Der Schweiz als Land, in dem die Achtung der kulturellen Unterschiede und die Mehrsprachigkeit essenziell sind, kommt hier eine besondere Rolle zu. Und dies umso mehr, als es unter den Mitgliedern der OIF eigentlich nur gerade ein Land gibt, in dem Französisch die einzige Amtssprache ist: Frankreich.

Die Schweiz arbeitet ausserdem mit mehreren Akteuren der Frankophonie zusammen. Der wichtigste ist zweifellos der multilaterale Sender TV5 Monde, den die Schweiz 1984 mitbegründete. Radio Télévision Suisse (RTS) und vier weitere französischsprachige Rundfunkanstalten stellen TV5 Monde Informations- und Bildungssendungen zur Verfügung. Der Sender ist heute weltweit eines der wichtigsten Instrumente der Frankophonie.

Wichtiger Support für die Kandidatur der Schweiz für den UNO-Sicherheitsrat

Die politische Dimension der OIF ist aus der Sicht der Schweiz von zentraler Bedeutung. Die 37. Ministerkonferenz der Frankophonie, an der die Aussenminister der Mitgliedsstaaten und -regierungen teilnehmen, bekundete ihre Unterstützung der Schweizer Kandidatur für den UNO-Sicherheitsrat für die Periode 2023–2024.

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