Zusammenarbeit mit Privatwirtschaft stärkt die DEZA bei der Armutsbekämpfung

Das oberste Ziel der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) heisst Armutsreduktion und nachhaltige Entwicklung. Dafür setzt sie auf innovative Lösungen und neue Partnerschaften. Gerade in fragilen Kontexten, wo grosse Armut herrscht, brauche es oft unkonventionelle Ansätze und neue Instrumente, sagt DEZA-Vizedirektor Thomas Gass. Diese lassen sich in gewissen Fällen nur in Zusammenarbeit mit privatwirtschaftlichen Akteuren realisieren.

Ein Mitarbeiter in einem Spital blickt durch ein Mikroskop.

Ein Mitarbeiter des St. Mary’s Hospital in Uganda untersucht eine Blutprobe auf Malariaerreger. © Keystone

Thomas Gass © EDA

Botschafter Thomas Gass ist seit 1. Januar 2018 Vizedirektor und Chef des Bereichs Südzusammenarbeit der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) im EDA. Zuvor war Thomas Gass unter anderem Beigeordneter Generalsekretär in der Hauptabteilung Wirtschaftliche und Soziale Angelegenheiten im Sekretariat der Vereinten Nationen in New York und Chef der Schweizer Mission in Nepal.

Der Bereich Südzusammenarbeit der DEZA finanziert Entwicklungsprojekte in den Schwerpunktländern und –regionen Afrikas, Asiens, Lateinamerikas und der Karibik.

«Es gilt, die spezifischen Stärken zu nutzen»

Herr Gass, die Internationale Zusammenarbeit der Schweiz (IZA) setzt für eine nachhaltige Entwicklung vermehrt auf die Zusammenarbeit mit dem Privatsektor. Was verspricht sich die DEZA davon?

Durch konkrete Partnerschaften mit dem Privatsektor können private Ressourcen für die Entwicklung innovativer Lösungen mobilisiert werden – und zwar unter Einhaltung sozial- und umweltverträglicher Standards. Daraus resultieren neue Produkte, Dienstleistungen, technologische Entwicklungen oder innovative Unternehmens- und Finanzierungsmodelle, die armen und marginalisierten Bevölkerungsgruppen zugutekommen. Ziel und Zweck der gemeinsamen Anstrengungen bleiben also stets die Erreichung der nachhaltigen Entwicklungsziele und die Armutsreduktion.

Durch Partnerschaften mit dem Privatsektor resultieren neue Produkte, Dienstleistungen, technologische Entwicklungen oder innovative Unternehmens- und Finanzierungsmodelle, die armen und marginalisierten Bevölkerungsgruppen zugutekommen.

Die Schweiz unterstützt die Agenda 2030 der Vereinten Nationen mit ihren 17 nachhaltigen Entwicklungszielen (Sustainable Development Goals, SDGs). Die Ziele können aber nur dann erreicht werden, wenn neben der öffentlichen Entwicklungshilfe und nationalem Steueraufkommen auch der Privatsektor zugunsten einer nachhaltigeren globalen Entwicklung mobilisiert werden kann. Die DEZA möchte daher ihr schon länger bestehendes Engagement mit dem Privatsektor weiter ausbauen, und zwar als Mittel zum Zweck, die globalen Entwicklungs- und Klimaschutzziele zu erreichen und die neue Botschaft zur Strategie der internationalen Zusammenarbeit 2021-2024 umzusetzen.

Auch die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung setzt auf Partnerschaften und hat dafür ein eigenes Entwicklungsziel (SDG 17) definiert. Sind die Stossrichtungen der IZA und der Agenda 2030 also kompatibel?

Die Antwort ist klar ja. SDG 17 signalisiert unmissverständlich, dass es für die Erreichung der Agenda 2030 sogenannt inklusive Partnerschaften braucht. Das heisst, dass sämtliche entwicklungsrelevanten Akteure ihre Ressourcen und Stärken bündeln sollen. Das betrifft Staaten, zivilgesellschaftliche Organisationen, Forschungsinstitute, Förderstiftungen und den Privatsektor gleichermassen.

Die enormen Ressourcen und die Innovationskraft von Unternehmen werden vermehrt als Chance begriffen, den Privatsektor in seiner Vielfalt zur Lösung der globalen Herausforderungen unserer Zeit miteinzubinden.

Das von der Agenda 2030 gesetzte Ziel einer sozial- und umweltverträglichen Wirtschaft bedingt eine weitreichende Transformation von Wirtschaftssystemen, etwa bezüglich fairer und menschenrechtskonformer Arbeitsbedingungen (SDG 8), eines effektiven und nachhaltigen Ressourceneinsatzes (u.a. SDG 7 und SDG 13) oder nachhaltiger Konsum- und Produktionsmuster (SDG 12). Heute erwartet die Öffentlichkeit von privaten Unternehmen, dass sie ihren Teil zum Wandel beitragen und verantwortungsvoll handeln. Die enormen Ressourcen und die Innovationskraft von Unternehmen werden vermehrt als Chance begriffen, den Privatsektor in seiner Vielfalt zur Lösung der globalen Herausforderungen unserer Zeit miteinzubinden.

Nebst SDG 17 stützt sich das Engagement der DEZA mit dem Privatsektor zudem auf die Financing for Development Agenda, insbesondere die Addis Ababa Action Agenda von 2015. Das globale Rahmenwerk betont, dass die Ressourcen von nationalen wie auch internationalen Unternehmen im Einklang mit den nachhaltigen Entwicklungszielen mobilisiert werden sollen.

In der IZA der Schweiz ist die Zusammenarbeit mit Unternehmen nicht neu. Sie soll aber verstärkt werden. Welche Erfahrungen hat die DEZA bislang mit dem Privatsektor gemacht?

Tatsächlich hat die DEZA bereits in den 1990er Jahren Erfahrungen mit sogenannten «Private Public Development Partnerships» gemacht. Ein frühes und sehr erfolgreiches Beispiel ist die Zusammenarbeit mit der in Genf angesiedelten Medicines for Malaria Venture (MMV). Dank der historischen Vorreiterrolle der Schweizer Medizin in der Bekämpfung von Malaria, konnte MMV mit der Unterstützung der DEZA und in enger Zusammenarbeit mit den Partnerländern im globalen Süden die Forschung zu und Entwicklung von neuen Medikamenten gegen Malaria vorantreiben und kostengünstig für betroffene Bevölkerungen bereitstellen.

Ende 2019 umfasste das Portfolio aktiver Partnerschaften der DEZA mit dem Privatsektor rund 75 Projekte.

Die DEZA stellt ein wachsendes Interesse des Privatsektors an öffentlich-privaten Partnerschaften zur Bewältigung von Entwicklungsherausforderungen fest. Ein klarer Trend hin zu mehr Nachhaltigkeit ist sowohl in der Realwirtschaft als auch im Finanzsektor zu beobachten. Firmen, welche das zunehmende Bewusstsein der breiten Öffentlichkeit für die Bedeutung sozial und ökologisch verantwortlicher Geschäftspraktiken als Chance wahrnehmen, sind für die DEZA besonders interessante Partner.

Ende 2019 umfasste das Portfolio aktiver Partnerschaften der DEZA mit dem Privatsektor rund 75 Projekte. Davon fallen ca. 30% in den Bereich ökonomische Entwicklung und Beschäftigung sowie weitere 20% in den Gesundheitssektor.

Wie muss man sich diese Zusammenarbeit konkret vorstellen? Können Sie zwei Beispiele geben?

Die DEZA arbeitet mit verschiedenen Kategorien von Privatsektor-Partnern zusammen: Grossunternehmen und multinationale Konzerne, Klein- und Mittelunternehmen, Sozialunternehmen, Impaktinvestoren, und Förderstiftungen. Jede Kategorie verfügt über spezifische Stärken, die es zu nutzen gilt. Nichtregierungsorganisationen, Forschungszentren und akademische Einrichtungen sind zwar nicht Teil des Privatsektors, werden aber oft aufgrund ihres spezifischen Fachwissens in solche Projekte involviert, z.B. als Implementierungspartner.

Die DEZA arbeitet mit verschiedenen Kategorien von Privatsektor-Partnern zusammen. Jede Kategorie verfügt über spezifische Stärken, die es zu nutzen gilt.

Die DEZA arbeitet mit verschiedenen Kategorien von Privatsektor-Partnern zusammen: Grossunternehmen und multinationale Konzerne, Klein- und Mittelunternehmen, Sozialunternehmen, Impaktinvestoren, und Förderstiftungen. Jede Kategorie verfügt über spezifische Stärken, die es zu nutzen gilt.

So unterstützt die DEZA zusammen mit Forschungsinstituten, zivilgesellschaftlichen Akteuren und Förderstiftungen etwa diverse Initiativen, die sich weltweit für die Bekämpfung verschiedener Krankheiten einsetzen. Ferner unterstützt die DEZA in verschiedenen Ländern Afrikas und Asiens Finanzinstitutionen, die Mikrokredite und -versicherungen für spezifische Gruppen wie Kleinbauern oder Migrantinnen anbieten. Solche Projekte erlauben es armen und marginalisierten Gruppen, lebenswichtige und auf ihre Bedürfnisse zugeschnittene Dienstleistungen zu erhalten.

Zur Einbindung des Privatsektors gibt es auch kritische Stimmen: Dadurch werde das Ziel der Entwicklungszusammenarbeit, nämlich die Armutsbekämpfung, geschwächt. Was sagen Sie zu dieser Kritik?

Die DEZA arbeitet zunehmend in fragilen Kontexten, wo grosse Armut herrscht. Dafür braucht es oft unkonventionelle Ansätze und neue Instrumente, die sich in gewissen Fällen nur in Zusammenarbeit mit privatwirtschaftlichen Akteuren realisieren lassen. Zudem mobilisieren Partnerschaften mit dem Privatsektor zusätzliche Mittel und Expertise, womit insgesamt mehr Ressourcen für die Armutsreduktion und die nachhaltige Entwicklung bereitstehen. Damit wird die Armutsbekämpfung gestärkt.

Wenn im Rahmen eines konkreten Projekts eine Zusammenarbeit mit der Privatwirtschaft nicht zielführend für das oberste Ziel der Armutsreduktion und der nachhaltigen Entwicklung erscheint, so wird sie nicht eingesetzt.

Es ist wichtig zu betonen, dass die Zusammenarbeit mit dem Privatsektor nur eine von vielen Modalitäten der DEZA darstellt. Auch dienen Partnerschaften mit dem Privatsektor nur als Mittel zum Zweck: Wenn im Rahmen eines konkreten Projekts eine solche nicht zielführend für das oberste Ziel der Armutsreduktion und der nachhaltigen Entwicklung erscheint – und damit für das Mandat der DEZA –  so wird diese Modalität nicht eingesetzt. Die effektive und zielführende Einbindung des Privatsektors in der internationalen Zusammenarbeit basiert indes auf einem allgemeinen Konsens der Gebergemeinschaft und stützt sich auf internationale Vereinbarungen und Deklarationen.

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