Trainings für Sicherheitsleute schaffen Frieden: Jubiläum der Genfer Zentren
Seit 25 Jahren unterstützen die drei Zentren in Genf Friedens- und Reformprozesse in aller Welt: Mit Dialog, Trainings und Anschauungsbeispielen. Am 26. November hat Bundesrat Cassis mit einer Grussbotschaft zum runden Geburtstag von zwei der drei Zentren gratuliert. Die Genfer Zentren sind wichtige Partner der Schweiz für ihre sicherheits- und friedenspolitischen Ziele und stärken das internationale Genf als Pfeiler des Multilateralismus.
Christian Dussey, Direktor GCSP, an einem Input im Kurs «Leadership in international Security», 2019. © Geissbühler
Schulhaus Murten, Unterricht in Französisch und Deutsch: Eine Gruppe von Teilnehmerinnen und Teilnehmern eines Kurses am Zentrum für Sicherheitspolitik (GCSP) in Genf beobachtet gespannt, dass das tatsächlich funktioniert: Schulunterricht in zwei Sprachen! Vertreter/-innen der Zivilgesellschaft wie spezifische Frauengruppen, Unternehmerinnen, aber auch Vertreter von Militär und Rebellenorganisationen besuchen regelmässig speziell auf sie zugeschnittene oder breit abgestützte Bedürfnisse abdeckende Standardkurse, welche das GCSP anbietet.
Sie haben zum Ziel aufzuzeigen, dass es tatsächlich möglich ist: ein friedliches Zusammenleben unterschiedlicher Menschen, Ethnien, Angehöriger verschiedener Religionen und politischer Richtungen. Sie zeigen die neuesten Risiken für die internationale Sicherheit auf. GCSP fördert durch seine Kurse den Dialog. Dabei steht die Erkenntnis im Vordergrund, dass Sicherheit für Staaten wie für Menschen heute nur durch Kooperation gewährleistet werden kann. In Kursen werden die Grundlagen vermittelt, in Übungen und Rollenspielen werden Beispiele durchgespielt, Gespräche mit Kommunal- und Kantonalbehörden und Ausflüge wie jener nach Murten zeigen, wie es funktionieren könnte.
Lernen, miteinander zu reden
Jedes Jahr empfängt das GCSP mehr als 1300 Führungskräfte aus dem Sicherheitssektor, der Diplomatie, den NGOs und dem Privatsektor zu entsprechenden Trainingskursen. Diese Kurse bieten ein Forum für den Austausch zwischen Fachleuten und staatlichen Vertretern, die sonst kaum miteinander reden. Das GCSP hat so beispielsweise verschiedenen Konfliktparteien in Syrien Plattformen für den Dialog geboten und trägt auf diese Weise zur Entwicklung von Optionen für einen Ausweg aus dem zehnjährigen Krieg bei. Auch Vertreter/-innen von Konfliktparteien in Myanmar waren vor Ort.
Sicherheitspolitik betrifft aber nicht nur den Umgang mit und die Lösung von bewaffneten Auseinandersetzungen. Zwischen August und Oktober dieses Jahres wurden rund 130 Beamte des öffentlichen Gesundheitswesens im kurz-, aber auch langfristigen Management von Krisen geschult. Genutzt wird hier die systematische Risikoanalyse, die man aus dem Sicherheitssektor kennt. Das Thema ist äusserst aktuell: Denn Pandemie-Massnahmen wie Corona beispielsweise haben in einzelnen Ländern direkte Folgen für Frieden und Sicherheit, wenn zum Beispiel Mitglieder der Opposition in «Quarantäne» und damit in Hausarrest geschickt werden.
So werden unter dem Deckmantel der Pandemiebekämpfung Grundrechte beschnitten. Daher sind die Schulungen für ein besseres Krisenmanagement in Zusammenarbeit mit der WHO/GOARN ein Beitrag zur Konfliktprävention und sollen nächstes Jahr weltweit wiederholt werden.
Bundesrat Cassis gratuliert zum Viertel-Jahrhundert-Jubiläum
Unter dem Motto «The new normal. Anything but.» findet vom 25. bis 27. November die 25-Jahre-Jubiläumsfeier des Zentrums «für Sicherheitspolitik» (GCSP) statt. Auf dem Programm stehen Workshops zu Themen wie «Über den Tellerrand schauen – Grenzen der geopolitischen Risiken verstehen», «Die Rolle der Technologie in der Sicherheit» oder «Sicherheit im Nahen Osten und in Afrika.». In der Nacht vom 25. auf den 26. November begrüsst Bundesrat Ignazio Cassis die Alumni-Gemeinschaft von GCSP, die sich in virtuellen oder physischen Events auf der ganzen Welt trifft, alle von Schweizer Vertretungen vor Ort organisiert.
Im Dezember vor einem Jahr hat das Parlament einen Antrag des Bundesrates gutgeheissen und für die folgenden vier Jahre rund 130 Millionen Franken für die Arbeit der drei Genfer Zentren «Zentrum für Sicherheitspolitik», «Genfer internationales Zentrum für humanitäre Minenräumung» (GICHD ) und das Zentrum für die Gouvernanz des Sicherheitssektors bewilligt. Für alle Zentren ist die Schweiz die Initiantin und weltweit grösste Geldgeberin.
«Aktueller denn je»: Interview mit Simon Geissbühler
Der Vorsitzende des Comité de Pilotage der drei Genfer Zentren, Simon Geissbühler, erläutert, wofür das Geld aus der Schweiz in Zukunft eingesetzt wird und welchen Nutzen er erwartet.
«Herr Geissbühler, das GCSP empfängt jedes Jahr mehr als 1000 Führungskräfte aus dem Sicherheitssektor «zu Trainingskursen». Training für Sicherheitsleute – das klingt auf den ersten Blick nicht nach der bewährten «Friedensarbeit» der Schweiz. Was genau tut das GCSP da – und was ist für die nächsten Jahre mit dem dafür gesprochenen Schweizer Geld geplant?
Das GCSP ist eine Errungenschaft, für die uns viele Länder beneiden. Es ist zusammen mit den anderen Genfer Zentren ein Pfeiler des internationalen Genf und hat eine globale Ausstrahlung, auf die wir auch ein bisschen stolz sein dürfen. Die Kundschaft des GCSP ist vielfältig. Und das macht genau die Stärke des GCSP aus. Vertreterinnen und Vertreter des Sicherheitssektors treffen dort auf Mitarbeitende der Diplomatie, des Privatsektors, der Wissenschaft und der NGOs. Dieser interdisziplinäre Charakter der GCSP-Kurse ist ganz wichtig.
Wer Konflikte bearbeiten und in gewaltfreie Formen der Konfliktaustragung überführen will, muss bereit sein, alle Parteien anzusprechen. Sicherheitsapparate sind weltweit in Konflikte involviert.
Ohne die Menschen, die darin arbeiten, können wir keine Lösungen für die aktuellen Herausforderungen finden. Für die Jahre 2020 bis 2023 hat das Parlament einen Rahmenkredit gesprochen, der die Ziele der Zusammenarbeit definiert. Der Auftrag von GCSP besteht in erster Linie darin, interdisziplinäre Kaderbildungsprogramme anzubieten zu Themen, die die Sicherheitspolitik der Zukunft prägen. Darüber hinaus fördert das GCSP den Dialog auch ausserhalb der Kurse, sei es als Beitrag zur Lösung von spezifischen Konflikten oder durch das beeindruckende Alumni-Netzwerk, das mittlerweile über 160 Länder umfasst.
Zehn Workshops für über 100 Beamte von Gesundheitsbehörden verschiedener Länder hat das GCSP dieses Jahr durchgeführt – nun soll das Programm nächstes Jahr wiederholt und weltweit eingeführt werden. Was hat den Erfolg bei der diesjährigen Durchführung ausgemacht – was sind die Ziele für die weltweite Einführung? Was konkret ist geplant?
Dieser Auftrag verdeutlicht das neue, breite Sicherheitsverständnis, das nicht nur Sicherheitskräfte im engsten Sinne umfasst. Gerade COVID zeigt uns, wie wichtig ein kompetentes und schnelles Eingreifen unterschiedlicher Behörden sowie die Koordination sind. Es freut uns, dass die WHO die Kompetenz des GCSP anerkennt und diesen Auftrag nach Genf vergeben hat. Das Ziel der weltweiten Ausdehnung des Programms ist die Verbesserung der Reaktionsfähigkeit von Gesundheitsbehörden im Pandemiefall. Interessanterweise startete das Projekt schon 2019, also vor COVID. Die Realität hat uns schnell eingeholt.
Die Schweiz ist mit Ihren 9,4 Millionen Franken jährlich weitaus die grösste Geldgeberin der GICHD Wieso das? Und was ist mit dem Geld für 2021 geplant?
Das GICHD wurde von der Schweiz nach dem Ende des Kalten Krieges gegründet, als ein Beitrag an eine sicherere Welt. Mit der Grundfinanzierung stellt die Schweiz sicher, dass die Zentren ihre Dienste flexibel und kundenorientiert anbieten können. Dies sichert den Zentren ihre Unabhängigkeit, für die sie sehr geschätzt werden. Gerade in der humanitären Minenräumung ist eine unbürokratische Unterstützung für Staaten, die aus einem bewaffneten Konflikt hervorgehen, wichtig, damit Gefahren für die lokale Bevölkerung schnell erkannt und beseitigt werden können. Dies ist dank der Finanzierung der Schweiz möglich.
Das GICHD wird 2021 weiter an der Entwicklung von Normen und nationalen Strategien für die Minenräumung arbeiten. Obschon in der Minenräumung grosse Fortschritte erzielt wurden, bleibt noch viel zu tun, bis die Welt von den Gefahren dieser Waffen befreit ist. Seit einigen Jahren hat GICHD zudem begonnen, Regierungen in der sicheren Aufbewahrung von Munition zu beraten. Auch dies eine wichtige Aufgabe zum Schutz der Zivilbevölkerung, wie wir aus unserer eigenen Erfahrung wissen (Explosion des Munitionsdepot Mitholz vor 70 Jahren).
Wie schweizerisch – oder wie international – sind die Genfer Zentren?
Die Genfer Zentren sind ein integraler Teil des internationalen Genf, und die Aussenpolitische Strategie 2020-2023 des Bundesrates verlangt von uns, dass wir das internationale Genf als Pfeiler des Multilateralismus stärken.
Sie sind unabhängige Stiftungen, die erfolgreich unterwegs sind. Zugleich werden sie stark mit Schweizer Werten der Neutralität, der Unparteilichkeit und der humanitären Tradition in Verbindung gebracht. Ihre Verbindung zur Schweiz ist ein Wettbewerbsvorteil und Teil ihrer Identität. Ihre Vernetzung mit der Welt zeigt sich unter anderem dadurch, dass die Stiftungsräte aus Vertretern von 30 bis 50 Staaten zusammengesetzt sind.
Was motiviert Sie, sich als Directeur du Comitee zu engagieren, was war bisher Ihr absolutes Highlight in dieser Funktion?
In meiner vorherigen Funktion als stellvertretender Missionschef in Washington konnte ich mehrfach Delegationen von Vertretern des Kongresses und von Think Tanks zu Besuchen der Genfer Zentren begleiten. Ich habe die hohe Professionalität und die Wirkungskraft der Zentren sehr direkt erlebt. Dass sich auch amerikanische Expertinnen und Experten davon beeindrucken liessen, spricht Bände. Es ist mir ein Anliegen, dass wir die Synergien und die Genfer Zentren als Ressource der schweizerischen Sicherheits- und Aussenpolitik noch besser nutzen.
Führend in Friedensförderung: Mit Genfer Beitrag aussenpolitische Strategie umsetzen
Am 29. Januar 2020 hat der Bundesrat die aktuelle «Aussenpolitische Strategie» des Bundes zu Handen des Parlaments verabschiedet, am 12.3. und 11.6. haben National- und Ständerat sie zur Kenntnis genommen. Die Aussenpolitische Strategie legt die Förderung der Interessen und Werte als Kernauftrag der Schweizerischen Aussenpolitik fest. Namentlich soll sie die Freiheit der Schweiz schützen und fördern, und zwar über zivile und militärische Friedensförderung. Die Schweiz soll mit verschiedenen Instrumenten zur nachhaltigen Konfliktbeilegung beitragen, beispielsweise mit ihrer Expertise in der Konfliktprävention.
Damit leistet sie einen Beitrag ans Ziel 1.2. der Aussenpolitischen Strategie: «Durch aktive Beiträge zur Förderung der Demokratie, Konfliktprävention, Mediation und Konfliktbeilegung und im Kampf gegen die Straflosigkeit gehört die Schweiz zu den weltweit führenden Ländern in der Friedensförderung.» So werden Vorgaben aus der Bundesverfassung umgesetzt, so beispielsweise der Zweckartikel 2 der Bundesverfassung «die Freiheit und die Rechte des Volkes und die Unabhängigkeit und die Sicherheit des Landes» zu wahren, sich «für die Wahrung der Unabhängigkeit der Schweiz» einzusetzen und «zur Linderung von Not und Armut in der Welt, zur Achtung der Menschenrechte und zur Förderung der Demokratie» und «zu einem friedlichen Zusammenleben der Völker» beizutragen (Art. 54 Abs. 2).