Die Schweiz setzt sich weltweit für Frauenrechte ein

Vor 25 Jahren wurde an der 4. Weltfrauenkonferenz in Peking ein visionärer Aktionsplan verabschiedet. Viele der damals thematisierten Herausforderungen sind auch heute noch aktuell. Die UNO-Kommission für die Rechtsstellung der Frau zieht Bilanz an ihrer 64. Tagung in New York, die wegen des Coronavirus in reduzierter Form stattfindet. Die Schweiz beteiligt sich aktiv daran. Ein Überblick über das Schweizer Engagement in diesem Bereich.

Das diesjährige Schwerpunktthema der Kommission für die Rechtsstellung der Frau (Commission on the Status of Women CSW) ist die Überprüfung und Evaluation der Umsetzung der Erklärung und der Aktionsplattform von Peking.

Die beiden Dokumente, die im September 1995 verabschiedet wurden, enthalten eine historische Botschaft und thematisieren universelle Probleme im Bereich der Frauenrechte.

In den letzten 25 Jahren wurden zahlreiche Fortschritte erzielt, doch bestehen nach wie vor viele Herausforderungen. Deshalb haben sich die Staaten in New York auf eine politische Erklärung geeinigt, die ihre Entschlossenheit zur Umsetzung der in Peking eingegangenen Verpflichtungen bekräftigt.

Zwölf Problembereiche

Die Aktionsplattform von Peking umfasste zwölf Problembereich. Sie forderte die Staaten auf, konkrete Massnahmen in den Bereichen Gesundheit, Bildung, Gesetzesreform u. a. zu ergreifen. Zudem legte sie vordringliche Massnahmen zur Stärkung der Gleichstellung und zur Beseitigung aller Formen der Diskriminierung von Frauen fest.

Die Schweiz ist der festen Überzeugung, dass die Gleichstellung von Frau und Mann und die Achtung der Rechte der Frau, wie sie auch in der Bundesverfassung verankert sind, von grundlegender Bedeutung sind. Ihrer Ansicht nach stellen die Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern eines der Haupthindernisse für eine nachhaltige Entwicklung dar.

Zwölf Problembereiche der Aktionsplattform von Peking

  1. Anhaltende und wachsende Belastung der Frauen durch Armut
  2. Ungleichheiten, Unzulänglichkeiten und ungleiche Zugangsmöglichkeiten in den Bereichen Bildung und Ausbildung
  3. Ungleichheiten, Unzulänglichkeiten und ungleiche Zugangsmöglichkeiten in den Bereichen Gesundheitsversorgung und Gesundheitsdienstleistungen
  4. Gewalt gegen Frauen
  5. Auswirkungen von bewaffneten und anderen Konflikten auf Frauen, namentlich unter ausländischer Besatzung lebende Frauen
  6. Ungleichheit in den Wirtschaftsstrukturen und Wirtschaftspolitiken, bei allen Produktionstätigkeiten und beim Zugang zu Ressourcen
  7. Ungleichheit zwischen Männern und Frauen bei der Teilhabe an der Macht und an Entscheidungsprozessen auf allen Ebenen
  8. Unzureichende Mechanismen auf allen Ebenen zur Förderung der Frau
  9. Mangelnde Achtung der Grundrechte der Frauen sowie unzureichende Förderung und mangelnder Schutz dieser Rechte
  10. Stereotype Darstellung der Frau in allen Kommunikationssystemen, insbesondere den Medien, sowie ungleicher Zugang der Frau zu diesen und ungleiche Teilhabe an ihnen
  11. Geschlechtsspezifische Ungleichheiten bei der Bewirtschaftung der natürlichen Ressourcen und bei der Erhaltung der Umwelt
  12. Anhaltende Diskriminierung und Verletzung der Rechte von Mädchen

Vier Schlüsselziele

Die Schweiz engagiert sich im Rahmen von multilateralen Foren, bilateralen Dialogen und ihrer internationalen Zusammenarbeit für den Abbau der Ungleichheiten und die Förderung der Rechte der Frau.

Das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) verfügt seit drei Jahren über eine Strategie, die sein Engagement leitet und eine kohärente Aussenpolitik in Bezug auf die Geschlechtergleichstellung und Frauenrechte gewährleistet.

Neben der konsequenten Berücksichtigung der Genderdimension bei allen Aktivitäten und Projekten identifizierte das EDA vier Ziele, zu denen die Schweiz einen konkreten Beitrag im Sinne der Aktionsplattform von Peking leisten kann. Ein Überblick anhand von konkreten Projekten.

1. Ziel: Die wirtschaftliche Unabhängigkeit von Frauen stärken

Eine Frau im Südkaukasus konsultiert ein Dokument, in dem die Bedingungen für den Zugang zum Arbeitsmarkt aufgeführt sind.
Frauen können sich über ihre Arbeitsrechte informieren. © Kobü Südkaukasus

Der formellen Wirtschaft in Georgien, Armenien und Aserbaidschan mangelt es an einer gleichberechtigten Beschäftigungspolitik. Das Projekt Wirtschaftliche Stärkung der Frauen im Südkaukasus (Women’s Economic Empowerment in the South Caucasus) fördert die Teilhabe der Frauen in der Wirtschaft und ermöglicht ihnen einen gleichberechtigten Zugang zum Arbeitsmarkt oder den Eintritt in die unternehmerische Selbstständigkeit. Neben einer besseren wirtschaftlichen Selbstbestimmung der Frauen sollen die rechtlichen Rahmenbedingungen weiterentwickelt werden. 

Projekt-Factsheet: Besserer Zugang zum Arbeitsmarkt für Frauen im Südkaukasus (PDF, 2 Seiten, 257.0 kB, Deutsch)

2. Ziel: Die effektive politische Mitwirkung von Frauen stärken

Sitzung  Friedenskreise
Sitzung Friedenskreise ©DEZA Mali

Die Schweiz unterstützt seit 2015 in Mali das Projekt Friedenskreise der Organisation Women in Law and Development in Afrika (WILDAF). Ziel des Projekts ist es, Frauen zu ermutigen und zu befähigen, sich nach dem jahrelangen bewaffneten Konflikt aktiv am Friedens- und Versöhnungsprozess zu beteiligen. Seinen Anfang nahm das Projekt mit sogenannten Friedenskreisen, wo Frauen aus allen Regionen des Landes unabhängig von Stand, Herkunft, Religions- oder Parteizugehörigkeit über die Zukunft Malis diskutieren.. 

Projekt Friedenskreise der Organisation Women in Law and Development in Afrika (fr)

3. Ziel: Gegen jegliche geschlechtsspezifische Form von Gewalt vorgehen

Afrikanische Frauen diskutieren bei einem Dispenser mit Verhütungsmitteln für Männer und Frauen.
Ziel des Programms: Reduzierung von HIV-Infektionen. © DEZA

Im Einklang mit dem Engagement der DEZA zur Bekämpfung sexueller und geschlechtsspezifischer Gewalt und zur Stärkung der Rolle der Frau soll das Programm UN-Gender Rwanda (DEZA, 2019–2023) zu den Bemühungen der Regierung Ruandas beitragen, die Geschlechtergleichstellung und die Stärkung der Rolle der Frau zu fördern. Dies soll insbesondere durch Sensibilisierung und Kapazitätsaufbau für Frauen und durch die Stärkung von Dienstleistungsanbietern geschehen. 

UN-Gender Rwanda

4. Ziel: Die Rechte im Bereich der sexuellen und reproduktiven Gesundheit fördern

Frauen in einem Raum weben im Rahmen eines Programms zur Verringerung der Gewalt gegen Frauen und zur Verbesserung ihrer Stellung in Burundi, in Ruanda und in der Demokratischen Republik Kongo.
Die Region der Grossen Seen (Ruanda, Burundi, Osten der Demokratischen Republik Kongo DRK) ist seit Jahrzehnten von Konflikten geprägt, die sich auf die Gesundheit der Bevölkerung auswirken. © DEZA

Das Programm Gender transformative SRHR Systems for improved HIV prevention (DEZA, 2018–2021) trägt zur Reduzierung von HIV-Infektionen und zur Verbesserung der sexuellen und reproduktiven Gesundheit von Jugendlichen in fünf Ländern des südlichen Afrikas bei. Es unterstützt Gemeinschaften und Regierungen, integrierte regionale Politiken und Rahmenbedingungen zu schaffen, welche die Bedürfnisse junger Menschen in Bezug auf HIV und sexuelle und reproduktive Gesundheit und Rechte (SRHR) aufnehmen.

Gender transformative SRHR Systems for Improved HIV prevention

Markus Seiler
Markus Seiler © EDA

Das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) setzt sich auf operationeller Ebene dafür ein, dass Frauen und Männer in allen Ländern der Welt über die gleichen Rechte und Chancen verfügen. EDA-Generalsekretär Markus Seiler äussert sich zu den noch zu erzielenden Fortschritten. 

Was ist das Ziel der Schweiz an der 64. Tagung der CSW?

Die zentralen Themen der Schweizer Aussenpolitik – Frieden, Sicherheit, Wohlstand, Menschenrechte und nachhaltige Entwicklung – betreffen Frauen und Mädchen sowie Männer und Jungen gleichermassen. Die Geschlechtergleichstellung ist ein wichtiger Pfeiler der Schweizer Aussenpolitik. Die auf multilateraler Ebene erzielten Standards im Bereich der Geschlechtergleichstellung und der Frauenrechte werden jedoch von verschiedenen Staaten zunehmend infrage gestellt. Vor diesem Hintergrund besteht das Hauptziel darin, die Standards zu verteidigen.

 
Kann die Schweiz international überhaupt Einfluss auf die Verwirklichung der Geschlechtergleichstellung und den Schutz der Frauenrechte nehmen?

Die Schweiz verfügt in spezifischen Bereichen über wertvolles Know-how: Stärkung der Selbstbestimmung von Frauen, Bekämpfung aller Formen von Gewalt gegen Frauen einschliesslich häuslicher Gewalt, Teilhabe am wirtschaftlichen, politischen und sozialen Leben oder Zugang zur Gesundheitsversorgung. Zudem geniesst sie auf multilateraler Ebene einen ausgezeichneten Ruf als «Brückenbauerin», was das Vertrauen der verschiedenen Stakeholder in ihre Projekte fördert.

Im Rahmen des Nationalen Aktionsplans zur Umsetzung der Resolution 1325 «Frauen, Frieden und Sicherheit» des UNO-Sicherheitsrats engagiert sich die Schweiz des Weiteren dafür, dass Frauen einen aktiven Beitrag in der Konfliktprävention und in Friedensprozessen sowie zum Wiederaufbau des Staates und zur Versöhnung nach der Einstellung der Kampfhandlungen leisten können. Ausserdem setzt sie sich weltweit dafür ein, dass Frauen besser geschützt werden, insbesondere vor sexueller Gewalt.

 

Die Schweiz kämpft vor allem über die internationale Zusammenarbeit gegen Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern. Wird dieser Aspekt in der neuen Botschaft zur internationalen Zusammenarbeit 2021–2024 berücksichtigt?

Die Gleichstellung von Frau und Mann ist schon seit vielen Jahren ein Schwerpunkt der internationalen Zusammenarbeit der Schweiz. Die betroffenen Dienststellen, vor allem die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA), die Abteilung Menschliche Sicherheit (AMS) und das Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) haben die Genderdimension längst in ihre Organisation und ihre Programme integriert.

In der letzten Botschaft (2017–2020) wurde die Stärkung der Geschlechtergleichstellung und der Rechte von Frauen und Mädchen zum ersten Mal ausdrücklich als Ziel genannt. Die Schweiz setzt sich zudem für die Umsetzung der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung ein, deren fünftes Ziel wie folgt lautet: «Geschlechtergleichstellung erreichen und alle Frauen und Mädchen zur Selbstbestimmung befähigen». Diese Dimension figuriert auch in der neuen Botschaft 2021–2024, weil die Gleichstellung der Geschlechter für die Verwirklichung einer Welt ohne Armut von zentraler Bedeutung ist.

 

Was macht die CSW?

Die Kommission der Vereinten Nationen für die Rechtsstellung der Frau (Commission on the Status of Women CSW) ist das weltweit führende zwischenstaatliche Organ, das sich ausschliesslich der Förderung der Geschlechtergleichstellung und der Stärkung der Frauen widmet.

Die CSW wurde 1946 durch eine Resolution des Wirtschafts- und Sozialrats der Vereinten Nationen (ECOSOC) geschaffen.

Die CSW verfasste die ersten internationalen Übereinkommen über die Rechte der Frau, beispielsweise das Übereinkommen über die politischen Rechte der Frau (1953), mit dem die Anerkennung und der Schutz der politischen Rechte der Frauen zum ersten Mal in einem völkerrechtlichen Instrument festgeschrieben wurden, sowie die ersten internationalen Abkommen über die Rechte von Frauen in der Ehe.

Die CSW tagt einmal pro Jahr in New York. Dabei verabschieden die Staaten Schlussfolgerungen zu einem Schwerpunktthema sowie eine Reihe von konkreten Empfehlungen zuhanden der Regierungen, der zwischenstaatlichen Gremien und der Akteure der Zivilgesellschaft.

Im Jahr 2019 befasste sich die CSW mit dem Thema «Sozialschutzsysteme, Zugang zu öffentlichen Dienstleistungen und nachhaltige Infrastruktur zugunsten der Gleichstellung der Geschlechter und der Stärkung von Frauen und Mädchen».

Aufgrund des Coronavirus fand die diesjährige Tagung der CSW in reduzierter Form statt. Die Staaten verabschiedeten eine politische Erklärung, mit der sie die in Peking eingegangenen Verpflichtungen bekräftigten.

Die Schweiz wurde für vier (2020–2024) Jahre in die CSW gewählt.

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