Schweizer Memorial für die Opfer des Nationalsozialismus – Ein Erinnerungsort in Bern – Fragen & Antworten

Der Bundesrat setzt sich dafür ein, dass die Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung und des Holocaust nicht in Vergessenheit geraten. In Bern ist derzeit ein Erinnerungsort in Planung.

Fragen & Antworten

Wie ist die Idee eines Erinnerungsortes für die Opfer des Nationalsozialismus entstanden?

In den letzten Jahrzehnten hat die historische Forschung Fortschritte gemacht. Das Bewusstsein über die Rolle der Schweiz während des Zweiten Weltkriegs hat sich verändert. So rückte beispielsweise die Tatsache ins öffentliche Bewusstsein, dass auch Schweizer Bürgerinnen und Bürger in Konzentrationslager deportiert und dort ermordet wurden. Es entwickelte sich auch ein tieferes Verständnis für die restriktive Flüchtlingspolitik der Schweiz. Zudem ist die Schweiz seit 2004 Mitglied der «International Holocaust Remembrance Alliance» und hat sich entsprechend verpflichtet, die Erinnerung an den Holocaust aufrechtzuerhalten.

Seit 1945 sind in der Schweiz mehr als 60 Erinnerungsorte entstanden, meist in kleinem Rahmen und auf private Initiative, viele davon auf jüdischen Friedhöfen. Ein nationales Memorial für die Opfer des Nationalsozialismus gibt es jedoch bis heute nicht.

Ab 2019 wurde auf Initiative von zivilgesellschaftlichen Organisationen, darunter die Auslandschweizerorganisation ASO, der Schweizerische Israelitische Gemeindebund SIG das Archiv für Zeitgeschichte der ETH und die christlich-jüdische Arbeitsgemeinschaft in der Schweiz cja , ein Konzept für ein nationales Schweizer Memorial erarbeitet. Mit breiter Unterstützung aus Politik, Kultur und Zivilgesellschaft sowie den Landeskirchen und muslimischen Organisationen wurde es 2021 dem Bundesrat übergeben. 

www.swissmemorial.ch

Warum bezahlt der Bund und damit der Steuerzahler einen Betrag von 2,5 Mio. CHF?

Die politische Forderung, in der Schweiz einen Ort zur Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus zu schaffen, geht auf zwei Motionen aus dem Jahr 2021 zurück (Mo. Heer 21.3181 und Mo. Jositsch 21.3172), die einstimmig vom Parlament angenommen wurden. Der Bundesrat hat April 2023 mitgeteilt, dass in Bern ein Erinnerungsort realisiert werden sollte, Ein solches Bekenntnis des Bundes hat in der heutigen Zeit, 80 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs, eine besondere Bedeutung: Die Überlebenden und die Zeitzeuginnen oder Zeitzeugen, die noch selber von den Geschehnissen berichten können, werden immer weniger, Gleichzeitig nehmen Holocaustrelativierungen und Antisemitismus wieder zu.

Die Stadt Bern stellt den Standort unentgeltlich zu Verfügung. Diedie Kosten für die Planung und Realisierung sind vergleichsweise bescheiden für ein bauliches und künstlerisches Projekt im öffentlichen Raum. 

Wie ist die Öffentlichkeit informiert?

Über die Schritte betreffend Planung und Realisierung des Erinnerungsortes wird regelmässig kommuniziert. Vor der Publikation des Wettbewerbs wird eine Medienmitteilung über die wesentlichen Eckpunkte informieren. Nach dem Wettbewerb wird eine öffentliche Ausstellung die besten Beiträge präsentieren. Das nach der Auslobung des Wettbewerbs notwendige Baubewilligungsverfahren folgt den in der Stadt Bern üblichen Grundsätzen der Partizipation. Das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten EDA publiziert die wichtigsten Entwicklungen auf seiner Website als Dossier, das öffentlich zugänglich ist.

An wen richtet sich der Erinnerungsort?

Der Erinnerungsort ist grundsätzlich für die gesamte Öffentlichkeit bestimmt. Auch für jene Menschen, die keinen persönlichen Bezug zur Geschichte der Schweiz während der Zeit des Nationalsozialismus haben, soll der Erinnerungsort einen Einstieg in die Thematik bieten und vertiefende Informationen zur Verfügung stellen. Die Gestaltung des Erinnerungsortes und das vor Ort verfügbare Vermittlungsangebot wird gewisse Personengruppen jedoch im Besonderen berücksichtigen:

  • Angehörige und Nachkommen von Opfergruppen oder von Helferinnen und Helfern, für die der Erinnerungsort ein Ort des Gedenkens und ein Zeichen der Anerkennung für das erlittene Leid und die lange Zeit fehlende Beachtung sein kann.
  • Jugendliche und junge Erwachsene (Schülerinnen und Schüler; Studentinnen und Studenten), die den Erinnerungsort anlässlich einer Exkursion in Begleitung einer Lehr- oder Betreuungsperson besuchen und sich vor Ort und/oder nachgelagert in einem kontextualisierenden, pädagogischen Rahmen mit den am Erinnerungsort aufgeworfenen Themen und Fragestellungen beschäftigen.

Welche Aspekte der Gegenwart nimmt der Erinnerungsort auf?

Der Erinnerungsort fokussiert auf die Zeit des Nationalsozialismus und den Zweiten Weltkrieg, gestützt auf historische Fakten und Erkenntnisse. Er soll aber über die Vergangenheit hinaus auch auf die Gegenwart und Zukunft Bezug nehmen. So soll er zu einem reflektierten Umgang mit den Herausforderungen der Gegenwart und Zukunft beitragen. Dabei werden der Bedeutung und der Aufrechterhaltung von Demokratie, Rechtstaatlichkeit, Freiheit und individuellen Grundrechten sowie der Prävention von Gräueltaten besondere Bedeutung beigemessen.

Wie wird die Sicherheit gewährleistet?

Die Gremien weisen dem Aspekt Sicherheit eine hohe Bedeutung zu. Die Projektleitung und der Trägerverein werden rechtzeitig ein Sicherheitskonzept erarbeiten und mit den staatlichen Stellen verabschieden.

Warum plant der Bund gerade jetzt einen Erinnerungsort?

Die Verbrechen im Zweiten Weltkrieg sind von dauerhafter historischer Bedeutung für die Schweiz. Deshalb sind die einstimmigen Beschlüsse beider Kammern des Bundesparlaments und der Entscheid des Bundesrats sowie der Stadt Bern in der Bundesstadt einen Erinnerungsort zu schaffen ein starkes Zeichen der politischen Schweiz, sich mit der Geschichte des Landes zur Zeit des Nationalsozialismus auseinanderzusetzen, an dessen Opfer zu erinnern und historische Verantwortung zu übernehmen. Die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit ermöglicht ein vertieftes Verständnis für die Gegenwart, in der Konflikte, Kriege, Menschenrechtsverletzungen und Gräueltaten noch viel zu oft vorkommen. 

Wer verantwortet das Projekt?

Der Bundesrat hat das EDA beauftragt, das Projekt zusammen mit der Stadt Bern umzusetzen. Der dafür eingesetzte Lenkungsausschuss, der vom Bund, der Stadt Bern und mit Initiantinnen und Initianten besetzt ist, steuert das Projekt politisch und strategisch. Ein Projektausschuss bereitet zusammen mit der externen Projektleitung die Entscheidungen vor und ist für die Anträge an den Lenkungsausschuss verantwortlich.

Wer darf Vorschläge für den Erinnerungsort einreichen?

Der Wettbewerb steht grundsätzlich allen interessierten Bewerberinnen und Bewerbern offen. In einer ersten Phase wählt die Jury anhand von Eignungskriterien aus den Bereichen Architektur/Landschaftsarchitektur, Kunst und Geschichtsdidaktik eine Anzahl von teilnehmenden Teams aus, die anschliessend ihre Beiträge ausarbeiten. Aus diesem Kreis wird die Jury das Siegerprojekt küren.

Welche Rolle spielt die Stadt Bern?

Die Stadt Bern spielt als Standortgemeinde eine wichtige Rolle. Sie unterstützt das Projekt massgeblich, indem sie z.B. den Standort zur Verfügung stellt. Sie ist deshalb im Lenkungsausschuss durch zwei Mitglieder des Gemeinderates vertreten. Auch im Projektausschuss wahren zwei Vertreter und Vertreterinnen die Interessen der Stadt Bern als Standortgemeinde.

Wie geht es nach der Errichtung des Erinnerungsortes weiter?

Ein Trägerverein soll nach der Errichtung des Erinnerungsortes den Betrieb übernehmen. Dazu gehören neben Unterhalt und Instandsetzung das Planen und Umsetzen der Vermittlungsinhalte, die am Erinnerungsort zur Verfügung stehen werden.

Der Trägerverein wird dafür sorgen, dass der Ort unterschiedliche Nutzungsarten zulässt – von stillen Besuchen durch Einzelpersonen bis zu geführten und kommentierten Gruppenbesuchen, z.B. für Schulklassen. Idealerweise bietet der Erinnerungsort Platz für Gedenkveranstaltungen und für die Durchführung von temporären Aktivitäten.

Wer finanziert den Betrieb?

Der Trägerverein wurde am 10. Juni 2025 von mehreren etablierten und in der ganzen Schweiz tätigen Organisationen gegründet, nämlich dem Schweizerischen Israelitischen Gemeindebund (SIG), der Gesellschaft Minderheiten in der Schweiz (GMS) und dem Archiv für Zeitgeschichte der ETH Zürich (AfZ). Der Beitritt neuer Mitglieder, der Abschluss institutioneller Partnerschaften und die Modalitäten der Finanzierung der Aktivitäten sind in Vorbereitung. Die Rolle, die der Trägerverein in Bezug auf die Mediationsstelle im St. Galler Rheintal spielen könnte, wird gegebenenfalls zu einem späteren Zeitpunkt präzisiert. 

Welche Kernbotschaften beinhaltet der Erinnerungsort?

Die Kernbotschaften des Erinnerungsortes sind:

  • Verflechtung: Die Schweiz war in vielfältiger Weise mit dem Ausland und damit auch mit den nationalsozialistischen und faschistischen Regimen verflochten.
  • Verfolgung: Die Schweiz war über die Verfolgung gut informiert und verweigerte Menschen, die unmittelbar an Leib und Leben gefährdet waren, die rettende Zuflucht.
  • Verantwortung: Alle Menschen in der Schweiz hatten im Rahmen ihrer jeweiligen Rollen und Aufgaben Handlungsspielräume und trugen für ihre Entscheidungen eine Verantwortung.
  • Verstehen: Die Auseinandersetzung mit Nationalsozialismus und Faschismus hilft, die Gegenwart zu verstehen und zeigt, wohin die Diskriminierung und Ausgrenzung von Minderheiten führen kann.

Ist der Erinnerungsort in Bern ein isoliertes Projekt?

Als der Bundesrat 2023 die Entstehung des Erinnerungsortes in Bern befürwortete, stellte er sich auch eine Unterstützung für die Realisierung eines grenzüberschreitenden Vermittlungszentrums im St. Galler Rheintal in Aussicht. Dieses wird schwerpunktmässig die restriktive Flüchtlingspolitik der Schweiz und konkrete Fluchtgeschichten darstellen, für die der Schweizer Grenzverlauf während des Zweiten Weltkriegs bis heute einen historischen Schauplatz darstellt. Ausgehend von diesem St. Galler Vermittlungszentrum wird seit Anfang 2025 ein nationales Netzwerk in Form eines Vereins von Erinnerungsorten aufgebaut, das vom Bundesamt für Kultur finanziert wird.

Das geplante Vermittlungszentrum an der schweizerisch-österreichischen Grenze (Diepoldsau) ist ein grenzüberschreitendes Projekt, an dem das Jüdische Museum Hohenems, die lokalen Behörden und der Kanton St. Gallen beteiligt sind. Es wird vom Bund (über das nationale Netzwerk) sowie vom Kanton St. Gallen und den Behörden der Nachbarländer Liechtenstein, Österreich und Deutschland unterstützt.

Somit bildender Erinnerungsort in Bern, das grenzüberschreitende Vermittlungszentrum im Rheintal als auch der nationale  Netzwerkverein Teilbereiche des einen gesamtschweizerischen Projekts «Memorial für die Opfer des Nationalsozialismus». Damit wird auch dem Konzept der Initiantinnen Rechnung getragen, die vorgeschlagen hatten, das Projekt auf die drei Bereiche «erinnern», «vermitteln» und «vernetzen» abzustellen. Derzeit laufen die Aufbau- und Vernetzungsarbeiten, der einzelnen Teilprojekte.

Letzte Aktualisierung 11.07.2025

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