Von Buix in die Welt: Humanitäre Hilfe ermöglicht virtuelle Ausbildung
Wie installiert man Solarpanels richtig? Wie kann die Digitalisierung dazu beitragen, Wissen aus der Schweiz in andere Länder zu vermitteln? Mit diesen und anderen Themen beschäftigten sich Expertinnen und Experten des Schweizerischen Korps für humanitäre Hilfe (SKH) an einem Weiterbildungsanlass in Buix. Vom ländlichen Dorf im Jura aus werden Grenzen überwunden – mit Worten, Bildern und Videos.
Das Knowhow der in Buix versammelten Experten und Expertinnen wird der Bevölkerung mit einem Videoprojekt zur Wissensverbreitung zur Verfügung gestellt. © EDA
Im Spätsommer 2020 reisten Mitglieder des Schweizerischen Korps für humanitäre Hilfe (SKA), des operativen Bereichs der Humanitären Hilfe des Bundes, zu einem Weiterbildungsanlass ins kleine jurassische Dorf Buix: Während einer Woche trafen sich auf den Wiesen neben dem Bahnhof zahlreiche Ingenieurinnen und Ingenieure. Das Material stand dort schon bereit: Solarpanels, Kabel, Rohre und Pumpen. Die Weiterbildung konnte beginnen – dieses Jahr mit dem Fokus auf ein rein digitales Projekt.
Sonne und Wasser: eine Weiterbildung auf der Höhe der Zeit
Solche Weiterbildungskurse sind für die Expertinnen und Experten der verschiedenen Teams wichtig. Daraus entstand vor einigen Jahren die Idee einer Weiterbildung in Buix für Ingenieurinnen und Ingenieure des SKH und des UNO-Hochkommissariats für Flüchtlinge (UNHCR). Ziel war, technisches Wissen in zwei zusammenhängenden Bereichen zu vermitteln, nämlich die Installation von Sonnenkollektoren für die Wasserversorgung im humanitären Kontext. Das Ausbildungsangebot des SKH sollte sich stärker daran ausrichten, dass in vielen Ländern die Investitionen in die Ablösung fossiler Brennstoffe durch erneuerbare Energien zunehmen. So wird zum Beispiel in Afrika immer mehr auf Solarenergie umgestellt. «Ursprünglich hatten wir einen allgemeinen Kurs über Hydrologie im Angebot», erklärt Ausbildungskoordinatorin Ellen Milnes, Hydrologin, Professorin an der Universität Neuenburg und Mitglied des SKH. «Doch dann wollten wir die beiden Bereiche, die sich laufend weiterentwickeln, unter einen Hut bringen». Von der Sonne zum Wasser: «Bei diesem Weiterbildungskurs beschäftigen sich die Teilnehmenden vertieft mit der Funktionsweise solarbetriebener Pump- und Verteilsysteme für Brunnen- und Grundwasser.»
Stichwort «Wandel»: nachhaltig und dauerhaft
Doch dieses Jahr wollte man noch einen Schritt weiter gehen: Dank der Nutzung der digitalen Kommunikation sollte das Wissen auch eine grössere Verbreitung finden. Deshalb wurde ein detailliertes Erklärvideo ins Auge gefasst, das Fachleuten in den Zielländern und auch der lokalen Bevölkerung nützlich sein kann. Im Vordergrund stehen dabei die optimale Begleitung des Wandels hin zu erneuerbaren Ressourcen, der Aufbau von Kapazitäten und die Dauerhaftigkeit der Veränderungen. Über das digitale Angebot wird das Know-how der in Buix versammelten Expertinnen und Experten den Menschen vor Ort und über alle Grenzen hinweg zugänglich gemacht.
Mit Kamera und Mikrofon wurden in Buix Details der Installation und des Betriebs verschiedener Anlagen dokumentiert und von einschlägigen Fachleuten kommentiert. «Oft kommt es gerade auf die kleinen Details an», betont Ellen Milnes. «Die falsche Handhabung eines Pumpsystems zum Beispiel führt schnell zu Materialverschleiss, was die getätigten Investitionen zunichtemachen kann. Dadurch wird der Wandel, den viele Länder vorantreiben wollen, unnötig gebremst.»
Onlinekurse und Praxis ergänzen sich
Aufgrund der COVID-19-Pandemie wurden zahlreiche Kurse für Mitglieder des SKH und des UNHCR nur noch digital durchgeführt. Claudia Perlongo, die als Beraterin für Wasser, Sanitärversorgung und Hygiene (WASH) für verschiedene Organisationen tätig ist und an den Onlinekursen zu diesem Thema mitwirkt, sagt: «Eine Erläuterung per Video entspricht praktisch eins zu eins der eigentlichen Übung vor Ort. Das Angebot könnte auch auf andere Bereiche der humanitären Hilfe ausgedehnt werden.» Entscheidend ist die Nachhaltigkeit mit zukunftsgerichteten Projekten. «Onlineschulungen erlauben es der humanitären Hilfe, sich an die Ziele für eine nachhaltige Entwicklung anzupassen, und ermöglichen eine Sensibilisierung der Geldgeber für Massnahmen mit mittelfristigem Finanzierungsbedarf», sagt Claudia Perlongo weiter.
Der Wandel zu erneuerbaren Ressourcen verändert die Gesellschaft
Der Veränderungsprozess bei der Energieversorgung kann eine grosse Wirkung entfalten: Ein einziges Solarpanel reicht aus, um eine Pumpe mit einer Kapazität von einem Kubikmeter Wasser pro Stunde zu betreiben. Dieser Wandel löst auch Veränderungen in der Gesellschaft aus. «Wenn die Wasserversorgung durch Solarenergie gewährleistet ist, können wasserbezogene Krankheiten reduziert werden. Gleichzeitig entstehen neue wirtschaftliche Möglichkeiten, und theoretisch können mehr Mädchen die Schule besuchen», erklärt Marc-André Bünzli, Experte für Wasserversorgung der Humanitären Hilfe und Chef der Fachgruppe WES. In vielen Ländern kümmern sich nämlich die Frauen um die Versorgung eines ganzen Dorfes mit Wasser, das sie von den Brunnen nach Hause tragen. «Idealerweise gelingt es uns, das schreckliche Bild von Mädchen, die unter der sengenden Sonne Wasser pumpen, statt zur Schule zu gehen, zum Verschwinden zu bringen. Vielmehr sollten wir das Bild von Ingenieurinnen sehen, die ein ganzes Netzwerk von Brunnen betreuen, die ausschliesslich mit erneuerbaren Energien funktionieren. Ein Umbruch wird möglich, wenn man Traum und Fortschritt vereint, oder in diesem Fall Digitalisierung und Energiewandel. Wir müssen aber die Menschen ins Zentrum unserer Anstrengungen stellen, sonst ist alles vergeblich.»
Humanitäre Hilfe der Schweiz
Die Humanitäre Hilfe der Schweiz setzt sich vor, während und nach Konflikten, Krisen und Naturkatastrophen für die Interessen von schutzbedürftigen Menschen ein. Dabei konzentriert sie sich auf folgende Bereiche: Wiederaufbau und Rehabilitation der betroffenen Gebiete, Katastrophenvorsorge, Schutz von verletzlichen Personen und Nothilfe. Die Humanitäre Hilfe gehört zur Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) und ist Teil des eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA).