Innovation macht die humanitäre Minenräumung sicherer und effizienter
Die Akteure der humanitären Minenräumung setzen alles daran, mit den technologischen Entwicklungen Schritt zu halten. Dies ist zentral für die Effizienz, die Präzision und die Sicherheit der Minenräumungsaktionen. In der Ukraine, einem der am stärksten verminten Länder der Welt, ist die rasche Nutzbarmachung wissenschaftlicher und technologischer Fortschritte besonders wichtig.
Im Kampf gegen Landminen werden immer häufiger Drohnen eingesetzt, da sie grosse Gebiete abdecken und Daten in Echtzeit sammeln können. Hier in der Provinz Charkiw. © FSD
Mit Spezialradar ausgestattete Drohnen, Satellitenbilder oder auch Systeme zur Ferndetektion von Minen: Moderne wissenschaftliche und technologische Methoden sind Bestandteil der humanitären Minenräumung. Neue Entwicklungen tragen dazu bei, dass die Minensuche und -beseitigung wirksamer und sicherer wird. Innovation wird auch ein zentrales Thema an der Ukraine Mine Action Conference (siehe Kasten unten) sein. In der Ukraine setzt die Schweizerische Stiftung für Minenräumung (FSD) diese Technologien täglich ein: zum einen für die nichttechnischen Untersuchungen vor der eigentlichen Minenräumung, für die sie besonders geeignet sind, zum anderen für die Entschärfung und Beseitigung der Minen.
Die Stiftung gehörte zu den ersten Akteuren, die bodengestützte Fernerkundungsplattformen und mechanische, oft ferngesteuerte Minenräumgeräte einsetzten, um die manuelle Minenräumung zu beschleunigen. Die eingesetzten Geräte verringern das Risiko für die beteiligten Teams und erlauben eine grossflächigere und schnellere Entminung insbesondere von ausgedehnten, ebenen Landwirtschaftsflächen. Ferngesteuerte Maschinen, wie die von der Firma Global Clearance Solutions mit Sitz in der Schweiz zur Verfügung gestellte GCS 200, sind besonders geeignet, um Vegetation und andere Hindernisse aus dem Weg zu räumen. Die Schweiz arbeitet über das Eidgenössische Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) zudem mit der Stiftung Digger zusammen. Im September 2023 übergab das VBS dem zivilen ukrainischen Dienst für Katastrophenhilfe (State Emergency Service of Ukraine, SESU) eine Minenräummaschine des Typs DIGGER D-250. Gespräche über die Lieferung einer weiteren Maschine in die Ukraine stehen kurz vor dem Abschluss.
Ukraine Mine Action Conference UMAC2024
Am 17. und 18. Oktober 2024 organisieren die Schweiz und die Ukraine gemeinsam die Ukraine Mine Action Conference (UMAC2024) in Lausanne. Die UMAC2024 bringt hochrangige Vertreterinnen und Vertreter von Regierungen, internationalen Organisationen, dem Privatsektor, der Zivilgesellschaft und der Wissenschaft zusammen. Der Schwerpunkt liegt auf den globalen Aspekten der humanitären Minenräumung unter den Leitthemen People, Partners und Progress. Ziel ist es, die Bedeutung der Minenräumung als zentralen Bestandteil des sozialen und wirtschaftlichen Wiederaufbaus zu thematisieren. «Die Zivilbevölkerung in den Mittelpunkt der Debatte stellen» bedeutet, die direkten und indirekten Auswirkungen der Verseuchung durch Minen und andere Kampfmittel auf die in der Landwirtschaft tätigen Menschen anzugehen.
Die humanitäre Minenräumung ist unabdingbar für einen raschen Wiederaufbau, die Rückkehr der Vertriebenen und die Existenzsicherung. Die Ukraine setzt sich in vorderster Linie dafür ein, die Bevölkerung vor Minen und explosiven Kriegsmunitionsrückständen zu schützen und das Land wieder zur Nutzung freizugeben.
Drohnen sparen Zeit
Satellitenbilder erleichtern die Arbeit der Teams für nichttechnische Untersuchungen. Die FSD beispielsweise nutzt Satellitendaten, um sehr genaue und aktuelle Karten zu erstellen, die potenzielle Gefahrenzonen, umweltbedingte Veränderungen und von Bombardierungen oder Konflikten betroffene Gebiete zeigen. Diese Bilder helfen auch bei der Beurteilung des Zustands der Böden, der Vegetation und der Infrastruktur in den Gebieten, in denen die Kampfhandlungen eingestellt wurden.
Auch Drohnen, die mit hochauflösenden Kameras ausgestattet sind, können Luftaufnahmen machen, die wie Satellitenbilder die Erstellung präziser Karten von potenziell gefährlichen Gebieten ermöglichen. Mit Drohnen können die notwendigen Voruntersuchungen rascher durchgeführt und die Minenräumungsarbeiten entsprechend priorisiert werden. Ihre Fähigkeit, grosse Gebiete abzudecken und Daten in Echtzeit zu sammeln, hat erheblich zur Wirksamkeit der Minenräumung in der Ukraine beigetragen.
In diesem Land, in dem nahezu ein Viertel des Territoriums durch Minen und andere Kampfmittel belastet ist, sind Instrumente wie Luftaufnahmen und Satellitenbilder unentbehrliche Hilfsmittel für die Planung und Koordinierung der Minenräumaktionen. Sie ermöglichen es den nationalen Behörden, die zu räumenden Gebiete gestützt auf präzise Daten und ohne aufwändige manuelle Bearbeitungsschritte zu priorisieren.
Drohnen mit eingebautem Spezialradar
Forschende der Universität Ulm (Deutschland) haben einen speziellen Radarsensor entwickelt, der in Drohnen eingebaut werden kann. Diese Technologie wurde im Rahmen des Projekts FindMine entwickelt, das vollständig von der Urs Endress Foundation finanziert wird und an dem die FSD aktiv beteiligt ist. Dieses sogenannte Bodendurchdringungsradar enthält elektromagnetische Sensoren. Damit können Landminen auch dann aufgespürt werden, wenn sie unter der Oberfläche verborgen oder von Vegetation bedeckt sind. Dank den verschiedenen Sensoren, mit denen dieses Radar ausgestattet ist, können die Drohnen in Echtzeit Bilder von Minen und anderen Objekten erstellen, die sich in dem überflogenen Gebiet befinden. Die Technologie wurde im Labor und auf Testgeländen in Ulm getestet und soll ab Ende 2024 in der Ukraine erprobt werden.
Die FSD-Teams setzen Drohnen seit 2024 täglich in fast allen Phasen der humanitären Minenräumung ein. Und die Forschung in diesem Bereich geht weiter: Forschende wollen in naher Zukunft Drohnen im Schwarm fliegen lassen, um die Gefahrendetektion auf weitaus grösseren Gebieten zu ermöglichen.
Bundesrat verstärkt Zusammenarbeit mit der Schweizerische Stiftung für Minenräumung (FSD)
Der Bund unterstützt die Arbeit der in Genf ansässigen Fondation suisse de déminage (FSD) in der Ukraine bis 2027 mit 30 Millionen Franken. Das hat der Bundesrat an seiner Sitzung vom 9. Oktober 2024 entschieden. Mit seiner Entscheidung unterstreicht der Bundesrat die Bedeutung der humanitären Minenräumung für den Wiederaufbau der Ukraine. Die Umsetzung dieses Bundesratsentscheids wird an der Ukraine Mine Action Conference UMAC2024 in Lausanne vorgestellt.
Ende September organisierte das Genfer Internationale Zentrum für Humanitäre Minenräumung (GICHD) ausserdem eine Innovationstagung zum Thema künstliche Intelligenz im Dienste der Minenräumung. Fachleute aus den Bereichen Minenräumung und KI tauschten sich darüber aus, wie sich das Potenzial von KI für effektivere Minenräumungsaktionen nutzen lässt.
Künstliche Intelligenz als Mehrwert
Die FSD hat zudem an Versuchen mit dem UNO-Entwicklungsprogramm (UNDP) teilgenommen, bei denen Software und eine Bildverarbeitungsanwendung getestet wurden, die Explosivkörper durch die Analyse von Formen und Mustern in Luftbildern identifizieren können. Diese Innovation ist vielversprechend, denn sie ermöglicht die Detektion von Gefahren über grössere Flächen hinweg, wobei KI in Kombination mit Drohnentechnologie letztendlich die automatisierte Erkennung und sogar Klassifizierung explosiver Kriegsmunitionsrückstände ermöglichen soll. Dies dürfte die Wirksamkeit der Minenräumarbeit weiter erhöhen und die Kosten senken.
Ende September organisierte das Genfer Internationale Zentrum für Humanitäre Minenräumung (GICHD) ausserdem eine Innovationstagung zum Thema künstliche Intelligenz im Dienste der Minenräumung. Fachleute aus den Bereichen Minenräumung und KI tauschten sich darüber aus, wie sich das Potenzial von KI für effektivere Minenräumprogramme nutzen lässt.