«Fragen der digitalen Gouvernanz betreffen uns alle»
Mit der neuen Strategie Digitalaussenpolitik unterstreicht der Bundesrat die Bedeutung neuer Technologien für die Aussenpolitik der Schweiz. Das internationale Genf bietet Staaten, Unternehmen, Organisationen, der Wissenschaft sowie Bürgerinnen und Bürgern eine Plattform für eine breite Diskussion. Ein Beispiel dafür ist der vom EDA lancierte Geneva Dialogue on Responsible Behaviour in Cyberspace, sagt Jon Fanzun, Sondergesandter für Cyber-Aussen und –Sicherheitspolitik.
Teilnehmerinnen und Teilnehmer des diesjährigen UN Internet Government Forums diskutieren auf digitalem Weg die Ergebnisse des Geneva Dialogue. © EDA
Herr Fanzun, in diesen Tagen führen Sie den Geneva Dialogue in virtueller Form durch. Welche Fragen werden dort diskutiert?
Die internationale Gemeinschaft hat sich 2015 auf Normen für verantwortungsvolles Staatenverhalten im Cyberraum geeinigt. Viele von diesen Normen lassen sich aber nur in Zusammenarbeit mit dem Privatsektor umsetzen. Denn die digitalen Technologien werden hauptsächlich von Unternehmen und nicht von Staaten entwickelt und umgesetzt. Wir sprechen daher im Geneva Dialogue darüber, wie Unternehmen ihrer Verantwortung in diesem Rahmen gerecht werden können. Dies beispielsweise, in dem sie ihre internen Prozesse so anpassen, dass die Produkte sicherer werden und dass Verwundbarkeiten rechtzeitig offengelegt werden. In diesem Rahmen haben wir gute Praktiken identifiziert und planen die gemeinsame Formulierung von Minimalanforderungen an die Produkte.
Wer nimmt an diesem Dialog teil?
Derzeit nehmen 15 Unternehmen am Dialog teil – aus der Schweiz, aber auch Europa, den USA, China, Indien oder Russland. Konkret sind dies BI.ZONE (Sber Group), Cisco, Ensign Infosecurity, FireEye, Huawei, Kaspersky, Microsoft, Papua New Guinea ICT Cluster, SICPA, Siemens, SwissRe, Tata Consultancy Services, UBS, Wisekey, und Vu Security. Ausserdem nehmen weitere Organisationen, wie das WEF (Centre for Cybersecurity), die ETH Zürich und ICT4Peace als Beobachter am Dialog teil.
Ihr Büro hat den Dialog lanciert. Welches Ziel verbinden Sie damit?
Wir möchten die Schweiz und insbesondere das internationale Genf auch im digitalen Raum als einen Ort etablieren, an dem neue Wege begangen werden, um Lösungen für drängende Probleme zu finden. Und die wachsende Tech-Geopolitik ist ein Problem, das zu wachsenden Auseinandersetzungen führt. Indem wir zeigen, dass sich Unternehmen aus ganz verschiedenen Weltregionen auf gemeinsame Standards einigen können, leisten wir einen konkreten Beitrag zur Verständigung. Der Geneva Dialogue ist hierbei eine konkrete Umsetzung der Strategie Digitalaussenpolitik des Bundesrates.
Weshalb ist es wichtig, dass sich die Wirtschaft, die Wissenschaft, Organisationen, Bürgerinnen und Bürger sich mit Fragen der digitalen Gouvernanz auseinandersetzen?
Fragen der digitalen Gouvernanz betreffen uns alle, weil wir immer vernetzter und damit auch abhängiger von digitalen Technologien werden. Wir haben uns längst darauf eingestellt, per Kurznachricht statt per Brief mit Freunden und Familie zu kommunizieren. Damit wird auch die Frage zentral, wie sicher diese Dienstleistungen sind und ob sie unsere Daten angemessen schützen.
Was versteht man genau unter digitaler Gouvernanz?
International sind die Regeln, die für den digitalen Raum gelten noch ein Flickwerk. Beispielsweise stellen neue Technologien wie etwa Künstliche Intelligenz auch neue Fragen an die Regulierung. Werden dafür neue Institutionen- und Regelsysteme oder Mechanismen für die internationale Zusammenarbeit etabliert, dann spricht man von digitaler Gouvernanz.
Warum bietet sich das internationale Genf als Hub für Fragen der digitalen Gouvernanz an?
Das Internationale Genf spielt bereits heute eine wichtige Rolle in der globalen Digitalpolitik. Mehrere für die Thematik bedeutende Organisationen sind in Genf als operationeller Hub des UNO-Systems ansässig, so zum Beispiel das IGF-Sekretariat, die Internationale Fernmeldeunion (ITU), die Internationale Organisation für Normung (ISO), die Internationale Elektrotechnische Kommission (IEC) oder das Weltwirtschaftsforum (WEF). Neben diesem digitalen Cluster berührt die Digitalisierung auch andere traditionelle Themen des Internationalen Genf und hat Auswirkungen auf Arbeitsthemen anderer internationaler Organisationen, wie zum Beispiel der Welthandelsorganisation (WTO), des Menschenrechtsrats oder des IKRK.
Welche Rolle spielt Genf im Rahmen der Digitalaussenpolitik des Bundes – und wo liegen die inhaltlichen Schwerpunkte der Digitalaussenpolitik?
Genf soll im Rahmen der Digitalaussenpolitik weiter gestärkt werden. Die neue Strategie Digitalaussenpolitik 2021-24 des Bundesrats setzt vier ambitionierte Schwerpunkte: Die Schweiz soll sich bei der Entwicklung der digitalen Gouvernanz stärker einbringen und Genf als Standort positionieren, sie soll sich für die Nutzung digitaler Technologien für Wohlstand und nachhaltige Entwicklung engagieren, im Bereich Cybersicherheit mit dem Privatsektor zusammenarbeiten und mit guten Diensten zur Konfliktlösung beitragen, sowie die digitale Selbstbestimmung voranbringen.