Immunität von Staatenvertreterinnen und -vertretern

Die Immunität von Staatenvertreterinnen und -vertretern leitet sich aus dem Völkergewohnheitsrecht, aus internationalen Verträgen und/oder aus dem nationalen Recht ab. 

Regierungsmitglieder

Nach dem Völkergewohnheitsrecht geniessen Staatenvertreterinnen und –vertreter im Zusammenhang mit der Wahrnehmung ihrer amtlichen Funktionen im Ausland Immunität. In diesem Zusammenhang wird in der Regel unterschieden zwischen persönlicher Immunität (ratione personae) und funktioneller Immunität (ratione materiae).

Amtierende Staatsoberhäupter, Regierungschefinnen und -chefs sowie Aussenministerinnen und Aussenminister geniessen während ihrer Amtszeit persönliche Immunität. Sie können sich auf eine absolute Immunität berufen, die sie im Ausland vor Strafverfolgung wegen Handlungen schützt, die sie in amtlicher oder privater Eigenschaft während oder vor ihrer Amtszeit vorgenommen haben.

Die übrigen Regierungsmitglieder können sich auf eine funktionelle Immunität berufen, die sie im Ausland vor Strafverfolgung wegen Handlungen schützt, die sie in Ausübung ihres Amtes vorgenommen haben. Sie geniessen hingegen keine Immunität für private Handlungen.

In folgenden Fällen ist die Immunität der Regierungsmitglieder beschränkt:

  • Wenn der Staat ausdrücklich auf die Immunität seiner Vertreterin oder seines Vertreters verzichtet, kann diese Person sich nicht mehr darauf berufen.
  • Nach Ablauf ihrer Amtszeit geniessen Staatsoberhäupter, Regierungschefinnen und -chefs sowie Aussenministerinnen und Aussenminister keine Immunität mehr für private Handlungen. Sie können sich nur für die in Ausübung ihres Amtes vorgenommenen amtlichen Handlungen weiter auf ihre Immunität berufen.
  • Wenn ein auf den gegebenen Sachverhalt anwendbares internationales Abkommen eine Ausnahme von der Immunität von Staatsvertreterinnen und -vertretern vorsieht (z. B. das Übereinkommen vom 9. Dezember 1948 über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes).
  • Einige internationale Gerichte wie der Internationale Strafgerichtshof, der Internationale Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien, der Internationale Strafgerichtshof für Ruanda und der Sondergerichtshof für den Libanon können über die strafrechtliche Verantwortung von Staatsvertreterinnen und -vertretern entscheiden, unabhängig davon, ob diese Personen gemäss Völkerrecht oder innerstaatlichem Recht Immunität geniessen. 

Der Geltungsbereich der Immunität von Staatenvertreterinnen und -vertretern im Falle schwerster Verbrechen (Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen, Apartheidverbrechen, Folter und Verschwindenlassen), ist zurzeit Gegenstand einer internationalen Debatte. Es geht um die Frage, ob die nationalen Gerichte die Immunität in bestimmten Fällen ablehnen können. In der Schweiz haben die Gerichte bislang keine Ausnahmen von der Immunität von der Gerichtsbarkeit ratione personae anerkannt, auch nicht bei Völkerrechtsverbrechen. Im Gegensatz dazu kam das Bundesstrafgericht zum Schluss, dass man sich in einem Strafverfahren, das wegen Verbrechen des Völkerrechts eingeleitet wurde, nicht auf die Immunität ratione materiae berufen kann (Entscheidung des Bundesstrafgerichts vom 25. Juli 2012, BB 2011 140, E. 5). 

Mitglieder diplomatischer und konsularischer Vertretungen

Der Status der Mitglieder von diplomatischen und konsularischen Vertretungen (dies umfasst Botschaften, ständige Missionen und konsularische Posten) ist in den Bestimmungen des Wiener Übereinkommens über diplomatische Beziehungen vom 18. April 1961 bzw. des Wiener Übereinkommens über konsularische Beziehungen vom 24. April 1963 geregelt. Diese Übereinkommen sehen verschiedene Personenkategorien mit Immunitäten unterschiedlichen Umfangs vor. So geniessen beispielsweise Mitglieder des diplomatischen Personals, also Mitglieder einer Botschaft oder einer ständigen Mission, die diplomatische Aufgaben erfüllen, während der Dauer ihrer dienstlichen Aufgaben absolute Immunität von der Gerichtsbarkeit, d.h. sowohl für ihre amtlichen als auch für ihre privaten Handlungen.

Mitglieder von Sondermissionen

Staatenvertreterinnen und -vertreter sowie Mitglieder des diplomatischen Personals, die Mitglieder einer Sondermission im Sinne des Übereinkommens vom 8. Dezember 1969 über Sondermissionen sind, geniessen während der Dauer der Mission Immunität von der Gerichtsbarkeit.

Staatenvertreterinnen und -vertreter, die Mitglied einer zwischenstaatlichen Organisation sind oder an einer internationalen Konferenz teilnehmen

Vertreterinnen und Vertreter der Mitgliedstaaten einer zwischenstaatlichen Organisation, die ihre Aufgaben bei den Organen der Organisation wahrnehmen oder an den von der Organisation einberufenen Konferenzen teilnehmen, geniessen die Immunität, die in dem zwischen der Organisation und dem Gaststaat geschlossenen Sitzabkommen vorgesehen ist. Beispielsweise geniessen die Vertreterinnen und Vertreter der Mitglieder bei den Haupt- und Unterorganen der Vereinten Nationen und bei von den Vereinten Nationen einberufenen Konferenzen während der Ausübung ihres Amtes und während der Reise zum oder vom Tagungsort Immunität von der Gerichtsbarkeit. 

Staatenvertreterinnen und -vertreter, die an einer internationalen Konferenz im Sinne von Art. 2 Abs. 1 Lit. h des Gaststaatgesetzes teilnehmen, geniessen ebenfalls Immunität von der Gerichtsbarkeit.

Letzte Aktualisierung 14.04.2023

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Privilegien und Immunitäten

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3003 Bern

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