Wissenschaftsdiplomatie im Dienste globaler Herausforderungen

Mit Blick auf die Herausforderungen der Zukunft hat die Schweiz 2019 den «Geneva Science and Diplomacy Anticipator» (GESDA) mitbegründet. Im Rahmen ihres 3. Gipfels hat die GESDA-Stiftung in Zusammenarbeit mit dem Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA), dem CERN und der UBS ein neues Institut gegründet, das der Quanteninformatik gewidmet ist: das Open Quantum Institute. Gemeinsam mit Vertreterinnen und Vertretern aus Diplomatie und Wissenschaft werfen wir einen Blick auf diese Zukunftstechnologie und das, was sie möglich macht.

13.10.2023
Ein Wissenschaftler, der Handschuhe trägt, hält zwei Reagenzgläser in den Händen.

Wissenschaftler arbeiten bereits an konkreten Fällen der Anwendung von Quantencomputern im Zusammenhang mit den UN-Zielen für nachhaltige Entwicklung, zum Beispiel im Bereich der Antibiotikaresistenz und der CO2-Reduzierung. © Freepick

Zugegeben, das Wort kann Angst machen: Quanteninformatik. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler hingegen sind überzeugt, dass diese Technologie unsere Gesellschaft und unseren Planeten verändern wird. Sie basiert auf den Grundsätzen der Quantenphysik, also den Gesetzmässigkeiten für das Verhalten von Materie in sehr kleinem Massstab, und verspricht beispiellose Leistungsverbesserungen für spezifische Berechnungen. Das klingt wiederum sehr wissenschaftlich. Aber was hat das mit der Schweizer Diplomatie und den Schweizer Interessen zu?

Die Wissenschaftsdiplomatie spielt eine wichtige Rolle in der aussenpolitischen Strategie des Bundesrates. Mit Blick in die Zukunft hat die Schweiz 2019 den «Geneva Science and Diplomacy Anticipator» (GESDA) mitbegründet, dessen 3. Gipfel vom 11.–13. Oktober 2023 in Genf stattfindet. Mit der Gründung dieser Stiftung erhielt die Wissenschaftsdiplomatie eine neue Dimension – die der vorausschauenden Wissenschaftsdiplomatie. Was heisst das? Den technologischen Fortschritt und seine Auswirkungen auf die Gesellschaft antizipieren und gleichzeitig Lösungen für den bestmöglichen Umgang mit diesen Veränderungen vorschlagen. Und da ist die Quanteninformatik eines der zentralen Themen, an denen GESDA arbeitet.

Nicolas Bideau, Chef von Kommunikation EDA, erklärt in weniger als 90 Sekunden, was Wissenschaftsdiplomatie ist. © EDA

«Wie andere wissenschaftliche und technologische Errungenschaften wird auch die Quanteninformatik Fragen rund um die globale Gouvernanz und die dafür zuständigen Institutionen aufwerfen», sagt Alexandra Baumann, Chefin der Abteilung Wohlstand und Nachhaltigkeit des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA). «Zum Thema Quanteninformatik braucht es eine globale Gouvernanz, damit eine friedliche, für alle zugängliche Nutzung zum Wohle der Menschheit gewährleistet werden kann.»

Open Quantum Institute in Genf und SDG

Porträt von Botschafterin Alexandra Baumann, Leiterin der Abteilung Wohlstand und Nachhaltigkeit des EDA.
Alexandra Baumann, Leiterin der Abteilung Wohlstand und Nachhaltigkeit des EDA, betont die Bedeutung einer globalen Gouvernanz rund um das Quantencomputing. © EDA

Ein grosser Schritt in diese Richtung wurde gerade getan. Das Open Quantum Institute (OQI) mit Sitz in Genf, das aus einer Zusammenarbeit zwischen dem EDA, GESDA, dem CERN und der UBS hervorgegangen ist, wurde am 13. Oktober 2023 in Anwesenheit von Bundesrat Ignazio Cassis offiziell lanciert. Das Institut fungiert als neutrales Diskussionsforum und schafft so die Grundlage für die multilaterale Gouvernanz zu einem Thema, das von der Schweiz unterstützt wird. «Die Gründung des OQI ist ein Erfolg für die Politik der Schweiz im Bereich der Wissenschaftsdiplomatie und eine Chance, um mit einem neuen, effektiven und inklusiven Ansatz des Multilateralismus die aktuellen Herausforderungen zu bewältigen», betont Alexandra Baumann. «Dank der Expertise, der Glaubwürdigkeit und des Pragmatismus der Schweizer Diplomatie im internationalen Genf kann sich die Schweiz aktiv einbringen, um die im OQI geführten Diskussionen weiter voranzutreiben. Der Schweiz bietet sich die einzigartige Gelegenheit, die internationale Gemeinschaft bei diesem wichtigen Thema der multilateralen Gouvernanz im Bereich der Quanteninformatik zu einen», so die Diplomatin weiter.

Darüber hinaus soll das OQI dafür sorgen, dass die Quantentechnologie für eine schnellere Erreichung der UNO-Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDG) zur Verfügung steht und weltweit zugänglich ist. Denn ja, die Quanteninformatik ist vielversprechend. Die Technologie ist zwar noch nicht ausgereift, aber sie keinesfalls bloss Science-Fiction.

CO₂-Reduktion und Antibiotikaresistenz

 Porträt von Marieke Hood.
Marieke Hood ist verantwortlich für die operative Umsetzung der vielversprechendsten Projekte, die von GESDA und seiner Gemeinschaft vorgeschlagen werden, darunter das Open Quantum Institute. © GESDA

«Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler arbeiten bereits an konkreten Fällen mit Bezug zu den SDG. Simulationen auf Quantencomputern haben gezeigt, dass man das Kohlendioxid (CO2) in der Atmosphäre reduzieren kann, indem man den katalytischen Prozess der Kohlenstoffbindung an der Oberfläche von Materialien verbessert. Das wäre ein konkreter Beitrag zu SDG 13, Massnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels», erklärt Marieke Hood, verantwortlich für die operative Umsetzung der vielversprechendsten Projekte, die von GESDA und seiner Community – darunter auch das OQI – vorgeschlagen werden.

Die GESDA-Expertin nennt ein weiteres Beispiel mit Bezug zu den SDG: Antibiotikaresistenzen. Die Fachleute hoffen, dass es mit Quantencomputern möglich sein wird, Antibiotikaresistenzmuster schneller und genauer vorherzusagen und neue, auf bestimmte Bakterien ausgerichtete Medikamente zu entwickeln. Ein Schritt in Richtung SDG 3, Gesundheit und Wohlergehen. Auch bei der Früherkennung von Krankheiten oder der Verwertung von Abfällen zu alternativen Treibstoffen könnte die Quanteninformatik Lösungen bieten.

Dazu meint Marieke Hood: «Es wird wahrscheinlich noch bis 2030 dauern, bis wir effiziente Quantencomputer haben, um konkrete Probleme zu lösen. Allerdings darf man nicht vergessen, dass Innovationen manchmal schneller verwirklicht werden, als gedacht. Wir sollten also rechtzeitig bereit sein!»

Genf, Zentrum der Wissenschaftsdiplomatie 

Mit 40 ansässigen internationalen Organisationen vereint Genf die Interessen der Welt in einem einzigartigen Ökosystem. Die Stadt am Genfersee wird mitunter als «Maschinenraum des internationalen Systems» bezeichnet und ist ein Kompetenzzentrum für die internationale Zusammenarbeit. Mit der Gründung des CERN im Jahr 1954, aber auch insbesondere durch die Arbeit der Weltgesundheitsorganisation und der Internationalen Fernmeldeunion, die wissenschaftliche Erkenntnisse zur Erreichung ihrer Ziele nutzen, ist Genf ein Zentrum der Wissenschaftsdiplomatie. Die Gründung des «Geneva Science and Diplomacy Anticipator» (GESDA) im Jahr 2019 stärkt diese Position noch weiter, ebenso wie der Start des Open Quantum Institute (siehe oben).

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