Die Guten Dienste der Schweiz – Mediation als Brücke zum Frieden

Von den stillen Räumen in Genf bis zu den Gesprächen in entlegenen Konfliktregionen: Wie die Schweiz als unparteiische Vermittlerin auf der Weltbühne agiert und Frieden gestaltet.

Luftaufnahme von der Stadt Genf mit dem Jet d’Eau.

Im Rahmen ihrer Guten Dienste bietet die Schweiz immer wieder Plattformen für internationale Konferenzen und hochrangige Gipfeltreffen auf Schweizer Boden, diese finden oft im internationalen Genf statt. © Keystone

Wenn Konflikte eskalieren und die Fronten verhärtet sind, braucht es Vermittlerinnen und Vermittler, die Vertrauen geniessen, über Expertise verfügen – und keine versteckten Interessen verfolgen. Genau hier kommen die Guten Dienste der Schweiz ins Spiel. Sie sind ein zentrales Instrument der Schweizer Aussenpolitik, ein Ausdruck ihrer humanitären Tradition und Unparteilichkeit. Sie leistet damit einen konkreten Beitrag zu einer friedlicheren und stabileren Welt.

Was sind die Guten Dienste?

Unter den Guten Diensten versteht man alle Aktivitäten der Schweiz, die dazu beitragen, internationale Spannungen zu verringern und Dialog zu ermöglichen. Sie gliedern sich in drei Hauptbereiche:

Gaststaat

Die Schweiz bietet immer wieder Plattformen für internationale Konferenzen und hochrangige Gipfeltreffen auf Schweizer Boden. Dies reicht vom Abschluss der Friedensverträge am Ende des Indochinakriegs 1954 bis hin zum Treffen zwischen USFinanzminister Scott Bessent und dem chinesischen Vizepremier He Lifeng am Wochenende vom 10. Mai 2025 in Genf. 

Frauen und Männer sitzen an Tischen und verhandeln.
Unter der Leitung der UNO organisierte die Schweiz verschiedene Runden von Syrien-Friedensgesprächen in Genf. © Keystone

Dazwischen ermöglichte die Schweiz unter anderem die Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa in den 1970er-Jahren – Ursprung der heutigen OSZE –, das Gipfeltreffen zwischen den Präsidenten der USA und der Sowjetunion, Ronald Reagan und Michail Gorbatschow, im Jahr 1985, die Verhandlungen auf dem Bürgenstock 2002 für einen Waffenstillstand in den Nuba-Bergen im Sudan, den Gipfel zwischen Präsident Biden und Präsident Putin 2021 in Genf und die Konferenz zum Frieden in der Ukraine im Juni 2024. 

Schutzmachtmandate

Als Schutzmacht übernimmt die Schweiz einen Teil der konsularischen und/oder diplomatischen Aufgaben, wenn zwei Staaten ihre Beziehungen ganz oder teilweise abbrechen. Dank der Schutzmacht können die Staaten minimale Beziehungen aufrechterhalten und die Schutzmacht gewährt Staatsangehörigen im jeweils anderen Staat konsularischen Schutz.

Die Schweiz kann betroffenen Staaten diese «Briefträgerfunktion» von sich aus anbieten oder übernimmt sie auf Ersuchen der betroffenen Parteien – vorausgesetzt alle Beteiligten sind damit einverstanden.

Die Schweiz übt momentan acht Schutzmachtmandate aus: Seit 1979 vertritt sie die iranischen Interessen in Ägypten, seit 1980 die Interessen der USA in Iran, sie ist seit 2009 Schutzmacht für Russland in Georgien und für Georgien in Russland und vertritt seit 2019 die Interessen des Iran in Kanada. Seit 2024 vertritt die Schweiz zudem die Interessen Ecuadors in Mexiko sowie die Interessen Mexikos in Ecuador. Im Dezember 2024 hat die Schweiz ein Schutzmachtmandat für Ecuador gegenüber Venezuela übernommen.

Mediation

Diese Form der Guten Dienste betrifft die direkte Vermittlung in Konflikten. Hier zeigt sich die Schweiz nicht nur als Gastgeberin, sondern als gestaltende Kraft in Friedensprozessen. In den vergangenen Jahren begleitete sie in mehr als 20 Ländern über 30 Friedensprozesse. Im Einverständnis mit den Konfliktparteien schafft die Schweiz den nötigen Freiraum für Verhandlungen – ohne selber Partei zu ergreifen oder den Inhalt zu beeinflussen. Sie unterstützt die Parteien darin, Ursachen zu identifizieren, ihre Anliegen zu formulieren und Lösungen zu erarbeiten.

Mediation – Kernelement der Friedensförderung

Mediation, wie sie von der Schweiz verstanden und praktiziert wird, ist mehr als ein Tischgespräch mit einem unparteiischen Moderator. Es ist ein tiefgreifender, langfristiger Prozess, in dem Vertrauen aufgebaut, Kompromisse erarbeitet und nachhaltige Lösungen gefunden werden.

Ein Beispiel: Mosambik, ein Land, das nach einem blutigen Bürgerkrieg in den 1990er-Jahren ab 2013 erneut an den Rand eines bewaffneten Konflikts geriet. Zwischen 2017 und 2019 spielte die Schweiz eine entscheidende Rolle in den Verhandlungen zwischen der Regierung und der oppositionellen RENAMO. In enger Zusammenarbeit mit kirchlichen Akteuren und unter Wahrung strengster Diskretion gelang es, einen Friedensvertrag auszuhandeln. Dabei stellte die Schweiz Expertenwissen zur Verfügung, half den Verhandlungsprozess zu strukturieren, hielt den Kontakt zu beiden Parteien aufrecht und sorgte somit für ein Umfeld, in dem beide Seiten auf Augenhöhe verhandeln konnten.

Die Konfliktparteien in Mosambik umarmen sich nach der Unterzeichnung eines Friedensvertrags im Jahr 2019.
Die Schweiz hatte Mosambik im Rahmen des internen bewaffneten Konflikts, der 2013 wieder aufgeflammt war, ihre guten Dienste zur Verfügung gestellt. © EDA

In einem anderen Kontext, Kolumbien, setzt sich die Schweiz seit mehr als 20 Jahren für einen nachhaltigen und inklusiven Friedensprozess ein. So hat sie die Aushandlung des Friedensabkommens mit der Rebellengruppe FARC-EP von 2016 unterstützt, und hilft seither bei dessen Umsetzung. Auf Anfrage der Regierung und der Parteien begleitet die Schweiz seit November 2022 die Verhandlungen zwischen der kolumbianischen Regierung und der Rebellengruppe ELN (Ejército de Liberación Nacional). Seit Oktober 2023 begleitet sie ausserdem die Verhandlungen mit der FARC Dissidenz EMBF FARC-EP (Estado Mayor de los Bloques y Frentes). Schweizer Vermittlerinnen und Vermittler sind an allen Verhandlungen präsent, unterstützen die Parteien bei der Suche nach Lösungen und stellen auf Anfrage technische Expertise zur Verfügung, beipsielsweise in den Bereichen Waffenstillstand und Prozessdesign.

Warum gerade die Schweiz?

Was macht die Schweiz zu einer gefragten Vermittlerin? Es ist nicht nur ihre Unparteilichkeit. Es ist auch die Kultur des Konsenses, tief verankert in der eigenen politischen Struktur. Der Bundesrat trifft Entscheidungen im Kollegium, Minderheiten werden eingebunden, vier Landessprachen und unterschiedliche religiöse Traditionen bilden das Fundament einer Gesellschaft, die Vielfalt nicht als Belastung, sondern als Stärke versteht.

Hinzu kommt die weltweite Präsenz: Mit 170 Vertretungen in mehr als 100 Ländern verfügt die Schweiz über ein dichtes diplomatisches Netzwerk. In etwa 20 dieser Länder sind sogenannte Human Security Advisers tätig – Spezialistinnen und Spezialisten für Friedensförderung, die sich mit den lokalen Gegebenheiten bestens auskennen und Friedensprozesse vor Ort begleiten.

Die Abteilung Frieden und Menschenrechte im EDA ist in Bern die Drehscheibe für die Koordination der der aussenpolitischen Friedensarbeit der Schweiz. Dort arbeiten Expertinnen und Experten zu Konflikten weltweit an massgeschneiderten Lösungen und unterstützen die Schweizer Vertretungen mit Fachwissen zu Themen wie Waffenstillständen, Machtteilung oder Vergangenheitsbewältigung.

Mediation in all ihren Facetten

Schweizer Mediation ist kein starres Format, sondern umfasst flexible Instrumente, die sich der jeweiligen Konfliktdynamik vor Ort anpassen.

So kann die Schweiz...

  • selbst mediieren, also den Friedensprozess leiten und gemeinsam mit den Parteien konkrete Lösungsoptionen erarbeiten;

  • unterstützen, etwa durch technische Expertise bei von der UNO oder der Afrikanischen Union geführten Prozessen;

  • Verhandlungen vorbereiten, durch Coaching der Konfliktparteien und Beratung im Hinblick auf Verhandlungsstrategien;

  • Dialoge strukturieren, um Missverständnisse zu verhindern und gegenseitiges Verständnis zu fördern. 

Dabei verfolgt die Schweiz einen pragmatischen und prinzipientreuen Ansatz: Diskretion, Geduld, Unparteilichkeit, interkulturelle Sensibilität und der Einsatz für internationales Recht sind tragende Säulen der Schweizer Vermittlungsarbeit. Besonders wichtig ist zudem die Einbindung von Frauen und zivilgesellschaftlichen Akteuren – ein Aspekt, der in vielen Kontexten für die Nachhaltigkeit von Friedensabkommen zentral ist. 

Genf – ein Zentrum für Frieden

International Geneva – das ist nicht nur ein Begriff, sondern gelebte Realität. In der Stadt am Genfersee sind viele wichtige Akteure an einem Ort vereint: UNO-Organisationen, NGOs, Think Tanks, diplomatische Vertretungen – sie alle schaffen ein Ökosystem, das die Chancen für erfolgreiche Mediation stärkt. Genf ist nicht nur logistisch hervorragend ausgestattet, sondern auch ein neutraler Boden, auf dem Vertrauen gedeiht.

Die Delegationen der USA und Chinas sitzen an einem hölzernen Tisch. Im Hintergrund sind die Flaggen der beiden Länder zu sehen.
Am Wochenende vom 10. Mai 2025 organisierte die Schweiz im Rahmen ihrer Guten Dienste ein Treffen zwischen den USA und China in Genf. © EDA

Frieden als Auftrag und Haltung

Drei von vier Schweizerinnen und Schweizern wünschen sich gemäss Studien, dass sich unser Land noch stärker für Frieden einsetzt. Die Guten Dienste und insbesondere die Mediation zeigen, wie dies konkret geschieht – durch Zuhören, durch Expertise, durch Beharrlichkeit. Darüber hinaus erfüllt die Schweiz mit ihren Guten Diensten einen Auftrag der Bundesverfassung und leistet somit einen Beitrag zu einem «friedlichen Zusammenleben der Völker», was wiederum stabilen internationalen Strukturen zuguten kommt, auf welche die Schweiz als exportorientiertes Land angewiesen ist.

In einer Welt voller Spannungen und Unsicherheiten ist die Schweiz ein leiser, aber kraftvoller Akteur des Friedens. Nicht durch grosse Reden, sondern durch stille Gespräche, tragfähige Kompromisse und nachhaltige Lösungen. Genau das macht ihre Rolle so wertvoll.

Zum Anfang